Bei den Parlamentswahlen in Belgien hat sich die Spaltung zwischen Flamen und Wallonen weiter verstärkt: Der flämischsprachige Landesteil rückte bei dem Urnengang am Sonntag politisch stark nach rechts, der frankophone nach links.
Der amtierende Regierungschef Charles Michel
Der amtierende Regierungschef Charles Michel - BELGA/AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Flandern und Wallonie driften nach Parlamentswahl weiter auseinander.

Vor diesem Hintergrund empfing der belgische König Philippe am Montag den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Charles Michel und anschliessend die Vorsitzenden führender Parteien, um sie mit der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu beauftragen.

Grosser Gewinner der Wahl ist die flämische rechtsextreme Partei Vlaams Belang. Die Zahl ihrer nationalen Abgeordneten stieg von drei auf 18. Die flämische Nationalisten-Partei N-VA verlor acht Sitze, blieb mit 25 von 150 Abgeordneten aber stärkste Kraft im belgischen Parlament.

Die zweitgrösste Fraktion bildet ein Zusammenschluss aus flämischen und wallonischen Grünen, die gemeinsam auf 21 Sitze kommen. Besonders bei den frankophonen Wählern konnten die Grünen im Vergleich zu 2014 punkten. In der Hauptstadt Brüssel lösten sie die sozialistische Partei als stärkste Kraft ab.

Die wallonischen Sozialisten - vormals landesweit zweitstärkste Kraft - verloren insgesamt fünf Sitze. Sie liegen mit 18 Mandaten nunmehr gleichauf mit dem rechtsextremen Vlaams Belang.

Die wallonische liberale Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Michel büsste ebenfalls Stimmen ein und landet mit 15 Sitzen sogar hinter den Rechtsextremen. Auch Michels Koalitionspartner, die flämischen Liberalen und Christdemokraten, sackten ab.

Neben den Rechtsextremen und Grünen profitierte die marxistische Arbeiterpartei von diesen Verlusten. Durch Stimmenzuwächse sowohl in der Wallonie, in Brüssel als auch in Flandern verfügen die Kommunisten nun über zwölf Sitze im Brüsseler Parlament.

In einem derart zersplitterten Parlament dürfte eine regierungsfähige Mehrheit schwer zu finden sein. Den Vlaams Belang haben alle Parteien als Koalitionspartner ausgeschlossen. Rein rechnerisch gibt es dadurch keine Mehrheit rechts der Mitte. Eine linke Mehrheit gibt es selbst unter Berücksichtigung der Kommunisten nicht.

Ein breites Bündnis der Mitte würde voraussetzen, dass die N-VA sich entweder auf die wallonischen Sozialisten oder auf die Grünen einlässt. Beides hatten die bürgerlich-konservativen Nationalisten zuvor ausgeschlossen. Alternativ wäre eine Regierung ohne die N-VA rechnerisch möglich, würde aber aus mindestens sechs eher sieben Parteien bestehen.

Die letzte Regierung - ein Vierer-Bündnis aus flämischen Nationalisten, Liberalen und Christdemokraten sowie den wallonischen Liberalen von Ministerpräsident Michel - war im Dezember am Streit mit der N-VA um die Migrationspolitik zerbrochen. Seitdem steht der Regierungschef einer geschäftsführenden Minderheitsregierung ohne die flämischen Nationalisten vor.

Daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern. Nach den Parlamentswahlen 2014 hatten sich die Koalitionsverhandlungen in Belgien über vier Monate hingezogen. 2010 und 2011 hatte es sogar 18 Monate gedauert. Mit anderthalb Jahren ohne handlungsfähige Regierung hält das Land damit den Weltrekord.

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