Vogelwarte sieht «keinen Nachweis» für Gänsesäger-Abschüsse

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Ständeräte wollen Gänsesäger abschiessen, weil sie bedrohte Fischarten gefährden. Die Vogelwarte sieht dazu keine Veranlassung.

Gänsesäger
Ein Gänsesäger-Männchen (rechts) hat mit einer Stockente etwas zu Schnattern, in der Kleinen Emme bei Malters LU. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Auch Gänsesäger sollen geschossen werden dürfen, sagt die Umweltkommission des Ständerats.
  • Sie sieht die Entenvögel als Gefahr für die vom Aussterben bedrohten Fischarten.
  • Für den Gänsesäger-Abschuss gebe es keine Notwendigkeit, sagt dagegen die Vogelwarte.

Die Umweltkommission des Ständerats will gefährdete Fischarten retten: Deshalb soll nebst dem Kormoran auch der ebenfalls fischfressende Gänsesäger geschossen werden dürfen, des grössten in der Schweiz heimischen Entenvogels.

Dazu soll sein Schutzstatus gesenkt werden, denn im Vergleich zum Kormoran ist der Gänsesäger weniger häufig und darum «potenziell gefährdet»: Es sind nur etwa 800 bis 900 Paare, Kormoranen-Paare gibt es etwa viermal so viele.

Viele Fischarten vom Aussterben bedroht

Für die Sorgen aus dem Ständerat zeigt die Vogelwarte Verständnis, auch wenn es um Fische und nicht um Vögel geht: «Ja, Fische sind, wie alle anderen Tiere und Pflanzen, Teil der Natur und der Lebensräume», sagt Mediensprecher Thorsten Wiegers.

Nase Fisch
Die Nase ist eine in der Schweiz bedrohte Fischart, die primär in Fliessgewässern vorkommt. - Staatskanzlei SG / Rainer Kühnis 2024

Und in der Tat sind viele Fischarten in der Schweiz vom Aussterben bedroht. Der Urheber des Gänsesäger-Vorstosses, Gewerbeverbandspräsident und Tessiner Mitte-Ständerat Fabio Regazzi, erwähnt einige Beispiele: die Adriatische Äsche, die Alborella, der Aal, die Nase sowie die Marmorata- und die Donauforelle.

Kurz, die Biodiversität sei in Gefahr und die teure Revitalisierung der Fliessgewässer zugunsten der Fischvielfalt hätten daran nichts geändert.

So kommt Ständerat Regazzi zum Schluss: «Wir dürfen nicht zulassen, dass die fischfressenden Vögel, die heute ungerechtfertigterweise absolut geschützt sind, ungestört Fische jagen und fangen.»

Insbesondere habe der Bestand des Gänsesägers in den letzten Jahren zugenommen – gemäss Daten der Vogelwarte.

Gänsesäger-Abschuss: «Keine Notwendigkeit»

Liefert die Vogelwarte der Politik hier das Argumentarium, damit ihre Schützlinge zum Abschuss freigegeben werden? Mediensprecher Wiegers sieht das leicht anders: Der Brutbestand des Gänsesägers habe nur gering zugenommen. «Auch die Zahl der Wintergäste auf Schweizer Seen ist seit Jahren stabil auf gleichem Niveau.»

Gänsesäger Küken
Ein Gänsesäger-Weibchen schwimmt mit seinen Küken auf dem Rücken. Der Gänsesäger ist der grösste Vertreter der Gattung der Säger aus der Familie der Entenvögel. - keystone

Allein daraus ergebe sich keine Notwendigkeit, Gänsesäger abzuschiessen. Hingegen könnten Wasservögel wie der Gänsesäger durchaus sogar profitieren, wenn bedrohte Fischarten geschützt werden.

Nämlich mit den wirksamsten Formen zu deren Schutz: «Natürliche Gewässer mit ungestörten Uferzonen, schadstofffreiem Wasser und geringen menschlichen Einflüssen

Gelegenheit macht Futter

Die Sache hat aber auch noch einen anderen Haken: Ständerat Regazzi ist wohl zuallererst Tessiner und erst dann Fischexperte. Er führt ausgerechnet Fischarten an, die ausschliesslich auf der Alpensüdseite vorkommen – wo es sozusagen keine Gänsesäger gibt.

Gänsesäger Verbreitung Schweiz Vogelwarte
Der Gänsesäger in der Schweiz: Schematisierte Verbreitung zur Brutzeit (ocker) und im Winter (blau punktiert). - Screenshot vogelwarte.ch

Nördlich des Gotthard gibt es von den genannten Arten nur den Aal. Beziehungsweise gab es, denn natürlicherweise kommt er in der Schweiz nicht mehr vor. Und die Nase, doch die ist mit 25 bis 40 cm Länge viel zu gross für den Gänsesäger.

Gänsesäger
Ein Gänsesäger-Männchen versucht zu imponieren. - keystone

Auf solche Ungereimtheiten mag Vogelwarte-Sprecher Thorsten Wiegers gar nicht erst eingehen. Es gelte grundsätzlich und ortsunabhängig: «Gänsesäger ernähren sich opportunistisch, also vorwiegend von den jeweils lokal am häufigsten vorkommenden und am einfachsten zu erbeutenden Fischen.»

Sollen Gänsesäger abgeschossen werden können?

Gemäss Untersuchungen, so Wiegers weiter, hauptsächlich Jungfische unter 12 cm, selten grösser als 15 cm. Also doch auch junge Nasen, die aus den 20’000 bis 100’000 Eiern pro Nase-Weibchen schlüpfen. Aber: «Die Verluste bei Jungfischen sind in der Natur eingeplant», betont Wiegers.

Aus Sicht der Vogelwarte ist klar: «Es gibt keinen Nachweis, dass allein die Anwesenheit von fischfressenden Vögeln und die Tatsache, dass sie Fische fressen, die Fischbestände gefährdet.»

Kommentare

User #3166 (nicht angemeldet)

Fischfressende Vögl hat es nur so lange, wie genug Fische da sind. Die Präsenz von Fischfresser deutet daraufhin, dass ein Gewässer gesund ist und noch genug Fische hat - das Vorkommen von Gänsesäger und Kormoran ist entsprechend ein gutes Zeichen.

User #3218 (nicht angemeldet)

Das grösste Problem ist der Mensch , speziell in der Schweiz. Alles schiessen , jagen ,töten. Das gleiche Theater mit Wolf und Bär. Zu faul um die Tiere zu beschützen aber Geld kassieren. Die Schweiz hat eh schon einen schlechten Ruf durch ihre fadenscheinige Politik.

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