SVP kämpft bei Klima-Gesetz auf verlorenem Posten
Das Wichtigste in Kürze
- Der Nationalrat berät das Netto-Null-Ziel ab 2050.
- Die Argumente der SVP werden von den anderen Parteien meist rundweg abgelehnt.
- Auch im Stimmvolk habe der Wind gedreht, sind die Befürworter überzeugt.
Die ersten Weichen sind gestellt auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel ab 2050. Heute wurde im Nationalrat die Debatte zum Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative fortgesetzt. Wie immer beim Für und Wider von Klimamassnahmen fallen die Diskussionen heftig aus. Doch die SVP kämpft zunehmend allein und auf verlorenem Posten und unterlag auch in der Schlussabstimmung.
SVP bleibt mit Klima-kritischer Haltung allein
Steigende Benzinpreise, drohende Strommangellage im Winter: Jetzt sei der falsche Zeitpunkt, die Schrauben beim Klimaschutz weiter anzuziehen, heisst es bei der SVP. Schon gar nicht beim indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative, fand unter anderem SVP-Nationalrat Michael Graber.
Denn er, als Walliser, sei schliesslich mit Gletschern aufgewachsen und wolle sie bewahren, weil sie für den Tourismus wichtig seien. Doch die Gletscher-Initiative rette keinen einzigen Zentimeter Gletscher. Seinem Antrag auf Nichteintreten stimmte aber ausschliesslich die SVP-Fraktion zu. Bei allen anderen Parteien scheint die Volkspartei mit ihren Klima-Argumenten nur noch Abwehr-Reflexe auszulösen.
GLP: «SVP zieht alles ins Lächerliche»
So auch Gletscher-Kenner Graber, dem sogleich der fehlende Blick über den Tellerrand vorgeworfen wurde. Grünliberalen-Präsident Jürg Grossen wies darauf hin, dass er gleichermassen gletscherkompetent sei, als ebenfalls «einfaches Gemüt vom Lande» aus Frutigen BE.
Die Gletscher einzig auf ihren touristischen Nutzen zu reduzieren, gehe natürlich nicht: «Das war extrem polemisch; so kommt man einfach nicht vorwärts. Die SVP sagt zwar, man muss etwas tun, hat aber keine eigenen Rezepte, also zieht sie alles ins Lächerliche.»
Gegenüber Nau.ch relativiert Graber seine Aussagen, aber die Gletscher seien nun mal in den Bergen. «Wir haben viele Probleme, die uns betreffen – den Wolf, die Raumplanung, der Benzinpreis – und die dann von der Mehrheit aus dem Unterland ‹gelöst› werden.» Doch die Mehrheit im Unterland und die Mehrheit im Parlament scheint der SVP-Argumente müde zu sein.
Imark: «Sie müssen mir schon zuhören!»
Das geht so weit, dass man der SVP schon gar nicht mehr zuhören mag. Am deutlichsten zu spüren bekam dies Nationalrat Christian Imark, der nach seiner Rede ein halbes Dutzend Fragen gestellt erhielt. Unter anderem von Gabriela Suter (SP), die ihn zu einem Bekenntnis zu den grossen Problemen des Klimawandels drängen wollte.
Imark war wohl schon in der Frage zuvor etwas aus dem Konzept gebracht worden. Sein Fraktionskollege Benjamin Giezendanner hatte ihn mit FDP-Kollege Christian Wasserfallen verwechselt, wegen angeblich ähnlicher Frisur. Als SP-Nationalrätin Suter sich mitten in seiner Antwort auch noch von ihm abwandte, begann Imark sie zu massregeln: «Sie müssen mir schon zuhören; Frau Suter, Sie haben mir eine Frage gestellt!»
Dass er danach den Faden vollends verlor, nahm Imark zwar mit Humor. Aufschlussreich ist aber die Begründung Suters für ihr Desinteresse: «Christian Imark hat meine Frage nicht beantwortet, sondern sie als Plattform missbraucht, um seine Ansichten über die Stromversorgungssicherheit darzulegen und einen Rundumschlag zum Gesetz zu machen.» Deshalb sei sie zurück zu ihrem Platz gegangen, «was aber nicht heisst, dass ich ihm nicht zuhört habe», betont Suter.
Wem hört das Stimmvolk zu?
In der SVP ist man indes überzeugt davon, dass man die Bevölkerung auf seiner Seite habe. Der Erfolg gegen das CO2-Gesetz hallt nach, Stimmbürger und Gewerbetreibende ächzten unter den hohen Benzinpreisen. «Vor dem Volk würden wir diesen Gegenvorschlag versenken», ist ein SVP-Stratege überzeugt.
Nur wird wohl die Gletscher-Initiative zugunsten des indirekten Gegenvorschlags zurückgezogen und über eine Gesetzesvorlage gibt es nicht automatisch eine Volksabstimmung. Die SVP müsste das Referendum dagegen ergreifen. Das sei aber nicht in Stein gemeisselt, trotz hoher Gewinnchancen, hört man in der Wandelhalle des Bundeshauses.
Ukraine-Krieg verschärft Ausgangslage
Dass mit dem Krieg in der Ukraine und den entsprechenden Lieferengpässen und Sanktionen die Treibstoffpreise anstiegen, liefert beiden Seiten Argumente. «Wenn wir bereits eine Verknappung haben, müssen wir die Treibstoffe nicht noch weiter verteuern», sagt etwa SVPler Michael Graber.
Ein Argument, welches wiederum bei den anderen Parteien in der Debatte um den Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative nicht verfing. Im Gegenteil, von fossiler Energie wegzukommen, sei mit dem Ukraine-Krieg noch einmal massiv dringlicher geworden, fand Umweltministerin Simonetta Sommaruga.
Wie finden Sie die Gletscherinitiative?
GLP-Präsident Grossen relativiert: «Hier im Rat ist das lediglich einer von vielen Faktoren.» Der Ukraine-Krieg schaffe etwas mehr Sensibilität, dass man weg müsse von den fossilen Treibstoffen, insbesondere in der Bevölkerung. «Denn hier hat man jetzt ein anschauliches Beispiel für die Folgen dieser Abhängigkeit.» Grossen hält dies offenbar für weitaus überzeugender als alle SVP-Kampagnen: «Die SVP wird das Referendum eher nicht ergreifen – das sollten Sie jetzt gelernt haben.»