Service-Citoyen-Initantin: Frauen müssen gleiche Chancen erhalten
In der «Arena» sagt Bundesrat Pfister, der Service Citoyen gehe zu weit, die Armee brauche nicht mehr Dienstpflichtige. Initiantin Roten will Gleichstellung.

Das Wichtigste in Kürze
- Bundesrat Pfister bezeichnet den Service Citoyen als gute Idee, die aber zu weit gehe.
- Initiantin Roten sieht die Frauen vom heutigen Dienstpflicht-System benachteiligt.
- Und Pflegefachmann Hässig sagt, die Zivis hielten ihm im Spital den Rücken frei.
Gesundheit, Bildung, Umwelt- und Katastrophenschutz: In diesen Bereichen soll ein «Bürgerdienst» absolviert werden können, ginge es nach der Service-Citoyen-Initiative. Und zwar sowohl von Schweizern als auch Schweizerinnen. Vorrang hätten aber Armee und Zivilschutz.
Doch die Armee zeigt wenig Freude am zusätzlichen, weiblichen Personal. Auch sonst steht die Service-Citoyen-Initiative ziemlich im Gegenwind: Nur noch rund 30 Prozent der Stimmberechtigten wollen am 30. November ein Ja einlegen.
Dabei sagt auch VBS-Vorsteher Martin Pfister in der «Arena», dass die Idee gut sei. «Aber sie schiesst über das Ziel hinaus.»

Initiantin Noémie Roten argumentiert in der Sendung mit der Sicherheit. Die Initianten würden Sicherheit breiter denken: Der Service Citoyen stärke die Armee, den Zivildienst, die Katastrophenprävention und die Ernährungssicherheit. Sie selbst sei «alarmiert», wenn sie höre, dass der Armee und dem Zivildienst je 15'000 Menschen fehlten.
GLP-Nationalrat Patrick Hässig betont, dass die Initiative die Bestände von Armee und Zivildienst garantieren werde.
Aktuell gibt es jährlich 35'000 dienstpflichtige Personen, mit der Annahme der Initiative würde die Zahl auf 70'000 ansteigen. Darüber müsste sich Bundesrat Pfister doch eigentlich freuen, der der unterbesetzten Armee vorsteht, oder?
Er sagt: «Die Initiative löst das Personalproblem nicht.» 35'000 Dienstpflichtige pro Jahr würden reichen – wenn denn alle Dienst leisten würden. Deshalb müsse man die Armee attraktiver machen.
Initiantin Roten in der «Arena»: Sicher braucht die Armee mehr Leute
Zudem könne die Armee nicht weitere 35'000 Dienstpflichtige gebrauchen, schon heute habe man Mühe, alle Soldaten auszurüsten. Man müsste sie also in anderen Bereichen unterbringen. «Und mit der Aufgabe, sinnvolle Arbeit für alle zu finden, würden wir unsere Mittel auf das Falsche konzentrieren.»
Ähnlich tönt es beim Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli: «Die Armee braucht nicht neue Bataillone.» Sie müsse sich richtig auf die hybride Bedrohung ausrichten.

Roten und Hässig kritisieren, dass die Armee nicht in der Lage sei, ihr Bestandsproblem zu lösen. Der GLP-Nationalrat sagt: «Es wurde viel diskutiert und das Einzige, was dabei rausgekommen ist, ist ein obligatorischer Orientierungstag für die Frauen.»
Roten sagt auch, dass es «sicher» mehr Leute für die Sicherheit brauche. Es gehe um die Ausbildung dieser 35'000 Leute, damit sie wüssten, wie sie Erste Hilfe leisten. Wie sie sich bei einem Blackout oder einem nähernden Krieg zu verhalten hätten. «Die Ausbildung der Jungen ist Ihr Auftrag, Herr Pfister.»
Der Bundesrat aber sagt, dass Erste Hilfe oder das Verhalten im Notfall gar nicht Thema der Initiative sei.
Mehr oder weniger Gleichstellung durch den Service Citoyen?
Ein wichtiges Thema der Initiative ist aber die Gleichstellung von Mann und Frau. Roten führt aus, dass Kinder heute mit Gleichstellung aufwachsen – bis sie 18 Jahre alt sind. «Dann kommt der Staat und verpflichtet nur die Männer zu einem Dienst.» Und so würden Stereotypen in der Gesellschaft weiter zementiert.
Auch Glättli ist für Gleichstellung, beispielsweise bei der unbezahlten Care-Arbeit, für die Frauen mehr Stunden aufwenden. Er wolle dort ansetzen und die Männer mehr miteinbeziehen, zum Beispiel mit einer Elternzeit. «Aber es kann doch nicht der erste Schritt sein, einen Zwangsdienst für Frauen einzuführen.»

Hässig erklärt, dass der Militärdienst aktuell dem Gleichstellungsartikel der Bundesverfassung widerspricht. «Wir können doch nicht Mann und Frau gesetzlich unterschiedlich behandeln.» Man müsse die Geschlechter vor Gesetz gleichstellen, das würde anstecken.
Roten spricht gar von einem «diskriminierenden System» und sieht die Frauen von der heutigen Dienstpflicht benachteiligt: «Die Männer müssen Dienst leisten, die Frauen werden von wichtigen Erfahrungen und Netzwerken ausgeschlossen. Sie müssen die gleichen Chancen bekommen.»
Hier widerspricht Pfister: «Frauen können auch freiwillig Militärdienst leisten.»
Pflegefachmann Hässig in «Arena»: Zivis halten uns den Rücken frei
Dem Bundesrat bereitet der Fachkräftemangel Sorgen, er fürchtet eine Verschärfung des Problems. Mit dem Service Citoyen müssten gut ausgebildete Fachkräfte Dienst «auf einem einfachen Niveau» leisten. Beispielsweise eine Pflegefachperson als Hilfskraft auf einem Bauernhof.
Glättli bezeichnet es als «absurd», dass man Personen dort rausnehmen wolle, wo sie qualifiziert seien, und ganz woandershin «verpflanze». Die Gesundheitsbranche sage, Fachkräfte müssten die Dienstleistenden einarbeiten und könnten so nicht ihre normale Arbeit machen. «Am Ende kostet es mehr, als es unterstützt.»
Patrick Hässig, selbst Pflegefachmann im Kinder-Notfall, widerspricht: Auf seiner Station gebe es mehrere Zivildienstleistende. Diese würden die Betten desinfizieren, alles auffüllen, die bürokratischen Arbeiten übernehmen. «Sie halten uns den Rücken frei, damit wir unsere Arbeit machen können.»
Das sei genau das Problem, findet Pfister. Die Aufgaben, die Hässig aufgezählt hat, würden sonst von Angestellten ausgeführt werden. Durch die Zivis würden diese verdrängt.
Experte Hässig widerspricht: «Nein, ich würde sonst diese Arbeiten erledigen müssen.»








