Schärferes Too-Big-To-Fail-Dispositiv als Lehre aus dem CS-Debakel
Der Bundesrat verschärft das Too-Big-To-Fail-Regime und will insbesondere die UBS zu mehr Kapital für ausländische Töchter verpflichten.

Der Bundesrat hat erste Beschlüsse gefasst zu Verschärfungen im Too-Big-To-Fail-Dispositiv. Sein Vorschlag, ausländische Tochtergesellschaften mit mehr Eigenkapital zu unterlegen, trifft namentlich die UBS. Mit weiteren Neuerungen bekommen es aber alle Banken in der Schweiz zu tun. Nachfolgend eine Übersicht:
WAS WILL DER BUNDESRAT?: Der Bundesrat will mit dem Massnahmenpaket Lehren ziehen aus dem CS-Debakel. «Die Krise der Grossbank Credit Suisse hat gezeigt, dass die Regelung Lücken hat», sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Freitag zu den Plänen. Die vorgeschlagenen Massnahmen seien risikobasiert und dienten dazu, die Prävention und die Liquidität zu stärken.
Sollte erneut eine Bank stabilisiert oder gar abgewickelt werden müssen, erhielten die Zuständigen mehr Instrumente, um einzugreifen. Der Bundesrat wolle den Finanzplatz insgesamt krisenresistenter machen. Die Risiken für den Staat, die Wirtschaft und die Steuerzahlenden würden damit kleiner. Die Finanzmarktaufsicht Finma und die Nationalbank sind mit den Massnahmen einverstanden.
WELCHE EIGENKAPITALANFORDERUNGEN SIND GEPLANT? Systemrelevante Banken sollen strengere Eigenmittelanforderungen für ausländische Tochtergesellschaften einhalten und den Buchwert dieser Töchter im Schweizer Stammhaus vollständig, also zu 100 Prozent, vom harten Eigenkapital abziehen müssen. Die Bank soll so in einer Krisenphase ausländische Tochtergesellschaften ohne negative Folgen für die Kapitalausstattung des Schweizer Stammhauses veräussern können.
Heute müssen ausländische Töchter zu rund 60 Prozent mit Eigenkapital unterlegt sein. «Nur mit einer vollständigen Unterlegung ist sichergestellt, dass ausländische Töchter in einer Krise nicht zum Problem werden», sagte Karin Keller-Sutter. Verankert werden soll die Massnahme im Gesetz. Das Parlament wird darüber entscheiden.
WARUM SIND DIE AUSLANDSTÖCHTER IM FOKUS? Der Fokus auf die Eigenmittelunterlegung der Auslandstöchter ist eine Lehre aus der CS-Krise. Dass die ausländischen Beteiligungen nur zu rund 60 Prozent mit Eigenkapital gedeckt waren, erwies sich damals als akutes Problem: So erwiesen sich Verkäufe von ausländischen Beteiligungen wegen der damit verbundenen Schwächung des CS-Eigenkapitals faktisch als unmöglich.
Zudem kann mit der vollständigen Unterlegung das Problem des «Double Leveraging» angegangen werden. Setzt die Muttergesellschaft nämlich teilweise Fremdkapital für die Eigenmittel der Tochter ein, droht eine Umgehung von geltenden Eigenkapitalvorschriften.
WAS KOSTET DIE VORGABE DIE UBS? Namentlich von der Massnahme betroffen ist die UBS. Sie könnte dafür bis zu 23 Milliarden Dollar zusätzliches Kapital benötigen. Finanzministerin Keller-Sutter warnte aber vor konkreten Zahlen. «Massgeblich ist, wie die UBS auf die Massnahme reagiert. Sie und ihre Organe sind dafür verantwortlich», sagte sie.
Da diese Kosten das Geschäft in ausländischen Tochtergesellschaften treffen, wird erwartet, dass sich dort das Geschäft verteuert. Das Kreditgeschäft der Banken im Inland dürfte sich hingegen nicht verändern. Den Zeitbedarf für den Kapitalaufbau schätzt der Bundesrat auf sechs bis acht Jahre, ab Inkrafttreten der neuen Vorschrift.
KOMMT NOCH MEHR NEUES ZUR KAPITALBASIS? Der Bundesrat plant zudem eine gezielte Stärkung der Kapitalbasis aller Banken. Vorgesehen ist eine Anpassung der Eigenmittelverordnung. Für nicht genügend werthaltige Aktiven – beispielsweise aktivierte Software oder latente Steueransprüche – sollen strengere Bestimmungen für die Bewertung dienen.
Auch die Liquiditätsanforderungen werden angepasst, damit die Finanzmarktaufsicht Finma und die zuständigen Stellen in einer Liquiditätskrise jederzeit beurteilen können, wie es um eine Bank steht. Zu den nötigen Anpassungen in der Eigenmittelverordnung läuft die Vernehmlassung bereits. In Kraft treten könnten sie frühestens Anfang 2027.
LIQUIDITÄT: Systemrelevante Banken müssen im Vergleich zu den übrigen Banken seit 1. Januar 2024 rechtlich geregelte zusätzliche Liquiditätspuffer halten. An diesen Bestimmungen ändert sich vorerst nichts. Banken sollen aber künftig besser vorbereitet sein, um in einer Krisenlage Liquiditätshilfe von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu erhalten. Für systemrelevante Banken ist sie mit einer quantitativen Mindestanforderung verbunden.
Für die übrigen Banken werden nur qualitative Vorgaben regulatorisch verankert. Die Vorlage für die Verankerung des Public Liquidity Backstop verabschiedete der Bundesrat im September 2023, ein halbes Jahr nach der CS-Notfusion. Sie ist zurzeit im Parlament sistiert, da der Ständerat die Massnahme im Zusammenhang mit den neuen Eigenmittelanforderungen diskutieren will.
ERHÄLT DIE FINANZMARKTAUFSICHT MEHR KOMPETENZEN? Ja. Die Finanzmarktaufsicht Finma soll bei Bedarf früher und wirksamer Massnahmen anordnen können. Verhält sich eine Bank nicht korrekt, soll die Aufsicht eine Busse gegen das Institut aussprechen können und bei Regelverstössen öffentlich informieren dürfen, um welche Bank es sich handelt, wie Finma-Verwaltungsratspräsidentin Marlene Amstad sagte. «Fehlverhalten muss von der zuständigen Behörde gebüsst werden können. Das hat eine klare Signalwirkung.»
SOLLEN PERSONEN ZUR VERANTWORTUNG GEZOGEN WERDEN? Ja. Der Bundesrat schlägt vor, Banken zu verpflichten, zu dokumentieren, wer auf den obersten Führungsetagen wofür zuständig ist. Kommt es zu Fehlverhalten, können die Verantwortlichen benannt und in die Verantwortung genommen werden.
Die Rede ist von Streichung oder Kürzung von noch nicht ausbezahlten Boni, der Rückforderung von variablen Vergütungen oder von der Finma verhängten Massnahmen wie beispielsweise einem Gewährsentzug oder einem Berufsverbot. «In jedem gut und verantwortungsvoll geführten Unternehmen weiss man, wer wofür verantwortlich ist», sagte Finanzministerin Keller-Sutter.
WAS IST BEI DEN BONI GEPLANT? Die heute vier systemrelevanten Banken – UBS, Postfinance, Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank – will der Bundesrat verpflichten, für mindestens einen Teil der Boni Sperrfristen zu setzen. Nach Fehlverhalten sollen zugeteilte, aber noch nicht überwiesene Boni gekürzt oder gestrichen werden müssen. Auch bereits bezahlte variable Vergütungen sollen zurückgefordert werden können.
Alle Banken müssen sich bei den variablen Vergütungen an minimale, im Gesetz verankerte Grundsätze halten. Kommt es zum Missmanagement durch hohe Führungskräfte, soll die Bank sie mit Vergütungsmassnahmen zur Verantwortung ziehen. Boni-Verbote will der Bundesrat nach wie vor nicht.
WAS BRINGEN DIE VORSCHRIFTEN DER UBS? Die verschärften Eigenmittelvorgaben könnten der UBS mittelfristig durchaus Vorteile bringen, betonte Finanzministerin Keller-Sutter. Eine gut kapitalisierte Bank sei für die Kunden in der Vermögensverwaltung attraktiver. Und dank einer besseren Eigenmittelunterlegung sollte auch die Aufnahme von Fremdkapital günstiger werden.
Von Drohungen einer möglichen Sitzverlegung der UBS ins Ausland gab sich Keller-Sutter wenig beeindruckt. Das sei am Ende eine Entscheidung des UBS-Managements. Insgesamt glaube sie nicht, dass die Wettbewerbsfähigkeit der UBS durch die verschärften Eigenmittelvorschriften eingeschränkt werde. Und die Schweiz könne der Bank viel bieten.
WIE GEHT ES WEITER? Geplant ist ein gestaffeltes Vorgehen. Eine erste Vernehmlassung zu Anpassungen in der Eigenmittelverordnung dauert bis zum 29. September – die Neuerungen treten frühestens im Januar 2027 in Kraft.
Zu den neuen Eigenkapitalvorschriften für systemrelevante Banken will der Bundesrat im Herbst eine nächste Vernehmlassung eröffnen. In Kraft treten sollen diese Vorschriften frühestens 2028. Die Vernehmlassung zu den übrigen Massnahmen soll im ersten Halbjahr 2026 starten.