Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) will künftig zur Identitätsüberprüfung von Asylsuchenden ihre Handys und Tablets auswerten.
Asylsuchender Handy
Ein Asylsuchender an seinem Handy. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Nationalratskommission plant Handys und Tablets von Flüchtlingen auszuwerten.
  • Dies soll die Identitätsüberprüfung gewährleisten.

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) will trotz kritischen Stimmen in der Vernehmlassung folgende gesetzliche Grundlage schaffen: Handys und Tablets von Flüchtlingen sollen künftig zur Identitätsüberprüfung systematisch auswertet werden können.

Viele Asylsuchende können ihre Identität nicht mit Ausweispapieren belegen. In solchen Fällen soll das Staatssekretariat für Migration (SEM) in Zukunft die Möglichkeit erhalten, mobile Datenträger der Betroffenen im Rahmen des Asyl- und Wegweisungsverfahrens auszuwerten.

Die SPK-N hat eine entsprechende Änderung des Asylgesetzes an den Nationalrat überwiesen, wie die Parlamentsdienste am Montag mitteilten. Der Entscheid fiel demnach mit 13 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen.

Fehlende Ausweispapiere würden das Asylverfahren erschweren

Die Vorlage basiert auf einer parlamentarischen Initiative von SVP-Nationalrat Gregor Rutz (ZH), welcher beide Kommissionen zugestimmt haben. In seiner Begründung stellte der Initiant fest, dass eine beträchtliche Anzahl Asylsuchender ohne Ausweispapiere einreise. Deshalb könne ihre Identität nicht nachgewiesen werden.

Das verzögere und erschwere das Asylverfahren. Nach Angaben des Bundes können bis zu vier Fünftel der Asylsuchenden in der Schweiz ihre Identität nicht mit Ausweispapieren belegen.

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SVP-Nationalrat Gregor Rutz findet die Verwendung von Gebührengeldern für Umbauten «nicht statthaft». - Keystone

Der Vorentwurf war in der SPK-N mit 17 zu 8 Stimmen noch locker durchgegangen. Nach der Vernehmlassung ist das Geschäft nun umstrittener. Die Kommissionsminderheit von SP und Grünen, die beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten, macht vor allem datenschutzrechtliche Argumente geltend.

Zudem bezeichnet sie den Eingriff in die Grundrechte einer betroffenen Person als unverhältnismässig. Schliesslich seien die Massnahmen zu kostenintensiv.

Eingriff in die menschenrechtlich geschützte Privatsphäre

In der Vernehmlassung hatten sich auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) und das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisch geäussert. Beide sehen in der Vorlage einen schwerwiegenden Eingriff in die menschenrechtlich geschützte Privatsphäre.

Es stelle sich auch die Frage, ob Mobiltelefone überhaupt geeignete Mittel zur Feststellung der Identität und des Reisewegs seien. Dies schrieb das UNHCR weiter. Handys könnten bei einer Flucht über einen langen Zeitraum von mehreren Personen verwendet werden, auch von Schleppern.

schweizerische Flüchtlingshilfe
Miriam Behrens, Chefin der schweizerischen Flüchtlingshilfe, äussert sich kritisch gegenüber des beschleunigten Asylverfahrens. - Keystone

Die Mehrheit der Kommission sieht wie auch 24 Kantone in der Auswertung hingegen mehr Vor- als Nachteile. Die Auswertung von mobilen Datenträgern sei eine effiziente Methode, um Informationen über die Identität einer Person zu erhalten. Zudem sei der Eingriff in die Privatsphäre verhältnismässig, da Asylsuchende in einem Asylverfahren zur Mitwirkung verpflichtet seien.

Einige EU-Länder haben bereits gesetzliche Grundlagen

Gemäss dem Gesetzesentwurf würden Flüchtlinge verpflichtet, die entsprechenden Geräte in folgenden Fällen herauszugeben: Wenn die Identität, die Nationalität und der Reiseweg des Gesuchstellers wegen fehlender Dokumente nicht auf andere Weise festgestellt werden kann.

Eine sogenannte Herkunftsanalyse ist jedoch beispielsweise vor der Auswertung eines elektronischen Datenträgers nicht ins Auge zu fassen. Dies heisst es im erläuternden Bericht zur Vorlage. Ein solches Verfahren sei mit einem grossen zeitlichen und organisatorischen Aufwand verbunden.

flüchtlinge mittelmeer
Flüchtlinge warten auf einem Boot im Mittelmeer. - Keystone

In anderen Ländern sieht das ähnlich aus. Deutschland, Dänemark, Finnland und die Niederlande haben bereits gesetzliche Grundlagen für die systematische Auswertung von Handy- und Laptopdaten geschaffen.

Vorlage geht zur Stellungnahme an den Bundesrat

Beim Bund lief von November 2017 bis Mai 2018 ein Pilotprojekt. In 15 Prozent der Fälle wurden dabei nützliche Hinweise zur Identität oder zum Reiseweg der Flüchtlinge gefunden, bilanzierte das SEM.

Die Kommission hat Empfehlungen aus den Rückmeldungen der Vernehmlassung in Ihre Vorlage aufgenommen. Insbesondere was den Datenschutz anbelangt, wie es in der Mitteilung heisst.

Mario Gattiker
Mario Gattiker führt das Staatssekretariat für Migration (bis 2015 Bundesamt für Migration) seit 2011. - Keystone

So sollen alle Personendaten spätestens nach einem Jahr seit der Speicherung automatisch gelöscht werden. Eine SP/Grüne/GLP-Minderheit will jedoch weitergehen und fordert die Lösung nach sechs Monaten.

Die Vorlage geht zur Stellungnahme an den Bundesrat, bevor sie voraussichtlich in der Frühjahrssession im Nationalrat behandelt wird.

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