Sollen Sozialversicherungen ihre Kunden überwachen dürfen? Nein, sagt ein Komitee heute in Luzern und lanciert damit den Abstimmungskampf gegen Sozialdetektive.
Das Referendumskomitee gegen Sozialdetektive lanciert ihren Abstimmungskampf vor dem Gebäude des Krankenversicherers CSS in Luzern.
Das Referendumskomitee gegen Sozialdetektive lanciert ihren Abstimmungskampf vor dem Gebäude des Krankenversicherers CSS in Luzern. - Nau
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Gegner der Versicherungsdetektive lancieren am Montag den Abstimmungskampf.
  • Lanciert wird der Abstimmungskampf vor dem CSS-Hauptsitz in Luzern.
  • Die CSS sieht die Aktion als billigen Wahlkampf, Stimmungsmache und Angstmacherei.

Im März haben National- und Ständerat die Gesetzesgrundlage verabschiedet, welches Sozialversicherungen erlaubt, ihre Kunden daheim zu observieren und mit GPS-Trackern zu verfolgen. Damit soll der Missbrauch von ungerechtfertigten Rentenbezügen aufgedeckt werden. Diese Überwachung dürfe jedoch nur geschehen, falls ein Verdacht auf Missbrauch von Sozialleistungen bestehe.

Privates Referendum in Rekordzeit

Gegen dieses Gesetz wurde im April ein Referendum eingereicht. Speziell dabei: Hinter dem Referendum steht nicht etwa eine Partei, sondern eine Gruppe von Privaten. Die dazu nötigen 50'000 Unterschriften kamen dabei in Rekordzeit über Twitter zusammen.

Hauptkritikpunkt des Komitees ist der sogenannte «Schlüssellochparagraph». Dieser erlaubt es, «dass man neu nicht nur im öffentlichen Raum observieren darf, sondern auch auf öffentlichem Grund einsehbaren Räumen – etwa Gärten, Balkone und auch Wohnzimmer, sobald man in die Räumlichkeiten einsehen kann», so Dimitri Rougy, Mitinitiant der Referendums. Dies betreffe der Kernbereich der Privatsphäre. «Da stellen wir uns vehement dagegen!»

Abstimmungskampf in Luzern lanciert

Am Montag hat nun die Gruppe unter der Leitung von Rougy ihren Abstimmungskampf lanciert. Dafür hat sich das Referendumskomitee nicht etwa den Bundesplatz in Bern, sondern das Hauptgebäude der CSS Versicherung in Luzern ausgesucht. CSS-Chefin Philomena Cotrella habe sich für die Überwachung von mehr als 1,7 Millionen Kunden ausgesprochen, teilt das Komitee auf seiner Facebook-Seite als Begründung mit.

Dimitri Rougy
Dimitri Rougy, im Referendumskomitee gegen die Observation von verdächtigen Bezügern von Sozialversicherungsleistungen vor dem Gebäude der CSS in Luzern. - Nau.ch

Mitinitiant Rougy erklärt die Aktion: «Wir wollen zeigen, wer für dieses Gesetz eigentlich verantwortlich ist.» Das seien besonders die grossen Versicherungen und Krankenkassen. «Und da sehen wir die Verantwortung der CSS, als grösster Grundversicherer der Schweiz.»

Mit der Aktion wolle man darauf aufmerksam machen, dass nicht nur die üblichen Verdächtigen, wie etwa Suva oder IV, künftig von den Sozialdetektiven Gebrauch machen können, sondern eben auch Krankenkassen und ganz viele andere Sozialversicherungen. So könnten Detektive auch bei Ergänzungsleistungs- oder Mutterschaftsgeldbezügern eingesetzt werden. «Das sind alles Versicherte, die man im ersten Moment nicht denkt, dass sie observiert würden.» Doch auch diese seien von der neuen gesetzlichen Grundlage betroffen, so Rougy. Dies bedeute am Schluss, «dass mit dem neuen Gesetz alle überwacht werden können.»

Referendumskomitee an «falscher Adresse»

Für Christina Wettstein, Mediensprecherin der CSS, ist klar: «Das Referendumskomitee ist bei uns an der falschen Adresse.» Die CSS-Versicherung sei vom Gesetz nur ganz am Rand betroffen, nämlich dann, wenn es um Firmenkundengeschäfte gehe. Grundversicherungen aber seien nie betroffen gewesen. «Wir werden auch künftig keinen Bedarf haben, bei der Grundversicherung zu observieren», verspricht Wettstein. «Darum ist die Behauptung der Initianten, wir würden künftig alle unsere Versicherten observieren, billiger Wahlkampf, Stimmungsmache, Angstmacherei und schlichtweg Unsinn.

Für Christina Wettstein, Mediensprecherin des Krankenversicherers CSS, ist das Referendumgskomitee vor dem CSS-Gebäude in Luzern wortwörtlich an der falschen Adresse.
Für Christina Wettstein, Mediensprecherin des Krankenversicherers CSS, ist das Referendumgskomitee vor dem CSS-Gebäude in Luzern wortwörtlich an der falschen Adresse. - Nau

Klar habe auch die CSS das Gesetz mitgetragen, man sei jedoch nie federführend gewesen. Wichtig sei dabei aus ihrer Sicht, «dass man die Versicherten vor Missbrauch schützt. Weil sonst zahlen alle ehrlichen Versicherten für den Missbrauch der Einzelnen», so Wettstein.

Volk entscheidet am 25. November

Eine Umfrage der Tamedia hat Ende April gezeigt, dass über 60 Prozent von 7200 Befragten dem neuen Gesetz zustimmen. Trotzdem ist Initiant Rougy zuversichtlich, dass das Referendum am 25. November vor dem Volk bestehen kann: «Ich bin überzeugt – und die Schweiz hat schon mehrfach gezeigt – dass sie für Grund- und Menschenrechte hinsteht und die Rechtsstaatlichkeit nicht über den Haufen wirft. Die Schweizer Bevölkerung ist sich bewusst, was das für wichtige Güter sind und darum bin ich optimistisch für den 25. November.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

MenschenrechteCSS VersicherungDimitri RougyStänderatSozialdetektiveSuva