Kaufkraft-Demo: Bürgerliche Kritik an Wahlkampf-Vehikel der Linken
Die Gewerkschaften rufen zur Kaufkraft-Demo: höhere Löhne, tiefere Mieten und tiefere Prämien. Bürgerliche sehen darin wenig Sinn.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Gewerkschaften demonstrieren für die Kaufkraft in Bern.
- Die Bürgerlichen sehen den Handlungsbedarf aber nicht, sie wollen «gezielt helfen».
- Gewerkschaftsboss Maillard macht sich aber grosse Sorgen um den sozialen Frieden.
Am Samstag steigt die Kaufkraft-Demo der Gewerkschaften. Sie wollen Druck auf die Politik und Arbeitgebenden machen, damit diese ihren Forderungen nachkommen: Lohnerhöhung, Mietpreisdeckel, mehr Rente und die Durchsetzung der Prämienentlastungsinitiative.
Die Kaufkraft bezeichnet den Unterschied zwischen dem Nettolohn der Bevölkerung und den Güterpreisen. Je teurer alles wird, desto mehr Geld müssen die Leute im Alltag ausgeben. Wenn die Löhne aber nicht steigen, dann können sie weniger ausgeben und die Wirtschaft leidet darunter. In Sachen Kaufkraftindex liegt die Schweizer Bevölkerung europaweit an der Spitze.

Die Kaufkraft soll geschützt werden, da ist auch Nationalrat Beat Walti (FDP/ZH) einverstanden: Das sei auch ein Anliegen seiner Partei. Der Wirtschaftspolitiker ist aber nicht Gewerkschafter: Er will nicht partout die Löhne erhöhen und die Mieten deckeln.
Kaufkraft: Bürgerliche warnen vor breiter Geldverteilung
Was soll denn die Politik machen? «Gezielt helfen», antwortet Beat Walti. Bei denen, die wirklich in Not sind und Ende Monat nicht über die Runden kommen.
«Eigentlich sind Lohnverhandlungen Sache der Sozialpartner», erklärt der Freisinnige. «Jetzt hat sich aber durch die hohen Energiepreise eine ausserordentliche Situation ergeben.» Wenn aber überall mehr Geld hineingesteckt werden, käme das Problem am Schluss wieder in Form von Preiserhöhungen zurück.

Deswegen müssten jene, die nicht in Not seien, «noch ein bisschen durchhalten»: Schliesslich sehe die Teuerungsprognose für Ende Jahr nicht schlecht aus, meint Walti. Ausserdem würden «massive Lohnerhöhungen» für manche Unternehmen grosse Schwierigkeiten bereiten.
Thomas Matter, Wirtschaftspolitiker der SVP ist viel dezidierter: Alle Probleme, die der SGB und die SP anprangerten, seien staatsgemacht und auf die Masseneinwanderung zurückzuführen. Heisst: «Die Demo bringt nichts.»

«Alle diese Probleme müssen wir an der Wurzel anpacken und im Parlament lösen», sagt der Zürcher. Vor allem, weil die Löhne schon einmal der Teuerung angepasst worden seien.
SGB-Maillard: «Wie wollen sie, dass die Leute motiviert weiterarbeiten?»
Der Präsident des Gewerkschaftsbundes, Pierre-Yves Maillard, verteidigt die Demo gegenüber Nau.ch: «Während der Siebziger und Achtzigerjahre wurden die Löhne regelmässig den Lebenskosten angepasst, manchmal sogar zweimal jährlich. Wie wollen die Bürgerlichen, dass die Leute motiviert weiterarbeiten, wenn ihre Arbeitgeber Rekordprofite machen, sie aber Geld verlieren?»
Den Arbeitnehmenden werde im Moment eine schlechte Perspektive gegeben: langsam ärmer werden. Maillard frage sich vor allem, wie denn in schlechteren Zeiten mit den Arbeitnehmenden umgegangen würde. «Wenn die Löhne in Zeiten tiefer Arbeitslosigkeit und hoher Gewinne nicht erhöht werden können, was wird während einer Rezession passieren?»

Angesprochen auf die vergleichsweise immer noch sehr hohe Kaufkraft der Schweizerinnen und Schweizer, sagt Maillard: «Natürlich, es ist anderswo schlimmer. Aber wir müssen dem schlechten Beispiel der anderen nicht folgen.»
Stehe einem irgendeinmal das Wasser bis zum Hals, könne man nicht sagen: «‹Allez›, es geht noch.» Und die Geschichte habe gezeigt, was passiere, wenn die Bevölkerung von der Arbeit nicht mehr leben könne: «Es folgen die Ablehnung der Institutionen und das Ende des sozialen Friedens. Wollen die Bürgerlichen das?», fragt er rhetorisch.