Funiciello scheitert mit Vorstoss zu Hilfe bei Vergewaltigungen
Die Berner SP-Nationalrätin Tamara Funiciello ist im Ständerat mit einem Vorstoss zur Hilfe bei Vergewaltigungen gescheitert.

Der Straftatbestand der unterlassenen Nothilfe wird nicht auf Fälle ausgedehnt, in denen es um schwere Verletzungen der physischen oder sexuellen Integrität geht. Die Berner SP-Nationalrätin Tamara Funiciello ist im Ständerat mit einem entsprechenden Vorstoss gescheitert.
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird heute, wer einem Menschen, den er verletzt hat, oder einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte. Das besagt heute Artikel 128 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs im Wesentlichen.
Für Funiciello sollte neu auch bestraft werden, wer Nothilfe an einer Person unterlässt, für welche eine erkennbare unmittelbare Gefahr der schweren Verletzung ihrer physischen oder sexuellen Integrität besteht. Sie begründete ihren Vorstoss mit einem Bundesgerichtsurteil von September 2021.
Funiciello zufolge sprach das Gericht einen Mann frei, der das Zimmer verliess, als seine Bekannte vergewaltigt wurde. Obwohl der Angeklagte gewusst habe, dass die Frau in grosser Not gewesen sei, habe er nichts unternommen, um die Vergewaltigung zu verhindern.
Der Mann habe den Täter zuvor sogar selbst ins Zimmer gelassen. Das Verhalten des freigesprochenen Mannes sei nicht nur moralisch verwerflich, sondern sollte auch strafrechtlich relevant sein.
Vorstoss scheitert im Ständerat und ist damit erledigt
Der Nationalrat gab der parlamentarischen Initiative Funiciellos im vergangenen Jahr noch Folge, doch der Vorstoss am Montag im Ständerat klar mit 13 zu 30 Stimmen. Er ist damit erledigt. Damit setzte sich die Argumentation einer ganz knappen Mehrheit der vorberatenden Rechtskommission des Ständerats durch.
Sie schrieb im Vorfeld der Debatte, es sei nicht zweckmässig, auf der Grundlage eines Einzelfalls – dem genannten Bundesgerichtsurteil – gesetzgeberisch tätig zu werden. Zudem wäre es schwierig, so diese Kommissionsmehrheit, den Straftatbestand einzugrenzen.
Zu definieren wäre, was eine «schwere» Verletzung der physischen oder sexuellen Integrität ist und was möglichen Zeuginnen und Zeugen «zugemutet» werden könne.
Kommissionssprecher Beat Rieder (VS/Mitte) sagte zudem im Rat, eine Ausweitung des Straftatbestands der unterlassenen Nothilfe könnte grosse Auswirkungen auf Strafprozesse haben. Wenn Zeugen einer Straftat sich mit Aussagen strafbar machen könnten, sei es möglich, dass sie allenfalls nicht mehr als Zeuge, sondern nur noch als Auskunftsperson einvernommen würden.
Das Strafrecht behandelt diese beiden Aussagekategorien unterschiedlich. So müssen Zeuginnen und Zeugen grundsätzlich vor Gericht aussagen, Auskunftspersonen hingegen prinzipiell nicht. «Mut und Anstand kann man nicht über das Strafrecht erzwingen», sagte der Walliser Ständerat.
Mathilde Crevoisier Crelier (SP/JU) hielt dem im Namen der Kommissionsminderheit entgegen, schon heute fordere das Strafgesetzbuch keine unmöglichen Hilfeleistungen, etwa bei einem Brand. «Ich weiss nicht, wovor Sie Angst haben». Hingegen hätten Frauen oft Angst. Zahlen zeigten, dass ihre Angst begründet sei.