Freiwillige Beteiligung an der EU-Asylsolidarität scheitert
Die Schweiz will sich nicht am Solidaritätsmechanismus des EU-Migrationspakts beteiligen. Der Nationalrat lehnte eine entsprechende Gesetzesanpassung knapp ab.

Die Schweiz soll sich am Solidaritätsmechanismus im EU-Migrationspakt nicht beteiligen. Der Nationalrat hat am Donnerstag den entsprechenden Teil der Anpassungen im Schweizer Recht mit 84 zu 81 Stimmen abgelehnt. Der Entwurf scheiterte an den 20 Stimmenthaltungen der FDP. Die SVP stellte sich gegen alle Vorlagen.
FDP-Vertreter Christian Wasserfallen (BE) argumentierte, die Beteiligung der Schweiz sei nicht zwingend. Der EU-Mechanismus sieht die Übernahme von Asylsuchenden bei starkem Andrang, Finanzmittel oder operative Hilfen vor.
Der Bundesrat hatte im entsprechenden Artikel des Asylgesetzes, welches bisher die Beteiligung an der Harmonisierung der EU-Asylpolitik festschrieb, die freiwillige Teilnahme empfohlen. Die Kommissionsmehrheit fügte die Bedingung ein, dass das Dublin-System zur Übernahme von Asylsuchenden durch den Staat des Erstasylgesuchs für die Schweiz funktioniert.
SVP und FDP gegen Beteiligung
Wasserfallen stellte sich gegen beide Varianten. FDP-Fraktionssprecher Peter Schilliger (LU) kündigte an, streiche der Rat nicht beides, enthalte sich die Partei der Stimme. Die SVP widersetzte sich vehement einer Beteiligung.
Jeder Asylsuchende sei durch ein EU-Land in die Schweiz gekommen. Für das Versagen des Schengen-Systems müsse man nicht noch aufkommen. Seit dem Beitritt zum Schengen/Dublin-Abkommen 2008 seien 370'000 Asylsuchende ins Land gekommen, sagte Pascal Schmid (SVP/TG). Dem Volk habe die Regierung seinerzeit eine Abnahme der Asylgesuche versprochen.
Der Rat hatte über rechtliche Anpassungen an den EU-Pakt in vier Gesetzen zu befinden. Personen in Haft vor der Rückübergabe an einen Dublin-Staat stellte er entgegen der Absicht des Bundesrats auf Antrag seiner Staatspolitischen Kommission und gegen den Willen der SVP einen Rechtsbeistand zur Seite.
Ablehnung linker und rechter Anträge
Auch in allen weiteren Punkten folgte der Nationalrat der Kommission oder dem Bundesrat. Anträge der Ratslinken lehnte er ebenso ab wie von der SVP vorgeschlagene Verschärfungen. So wollten etwa Grüne und SP die mögliche Haftdauer vor einer Wegweisung an einen Dublin-Staat von fünf auf drei Wochen verkürzen. Ebenso wollten sie längere Fristen für Einsprachen.
Die von Links-Grün geforderte Anhörung durch einen Richter sei ebenfalls überflüssig, denn die Grundrechte seien durch das schriftliche Verfahren gewahrt und ein Antrag auf Haftentlassung jederzeit möglich, befand der Nationalrat weiter. Ziel des EU-Pakts und der Rechtsanpassungen in der Schweiz sei schliesslich die Beschleunigung der Verfahren.
Auch lehnte der Rat das Einfügen einer konkreten Fluchtabsicht zur Verhängung einer Haft vor einer Wegweisung im Dublin-Verfahren ab. Hier genügten die bereits aufgeführten Haftgründe, sagte Justizminister Beat Jans.
Schengen-Verbleib steht auf dem Spiel
Die SVP scheiterte mit dem Antrag, die Asylsuchenden müssten nicht in einer ihnen verständlichen Sprache über ihre Rechte und Pflichten informiert werden.
Gegen ihren Willen war der Rat bereits mit 122 zu 64 Stimmen auf die Vorlagen eingetreten. Ein Scheitern würde das Ende der Assoziierung der Schweiz an das Schengen/Dublin-System bedeuten, hielt die Mehrheit fest. Dann würde die Schweiz zur Schengen-Aussengrenze und wäre erst recht mit steigenden Asylgesuchszahlen konfrontiert.
Alle im Schengen-Raum Abgewiesenen könnten nämlich in der Schweiz erneut ein Gesuch stellen, warnte Justizminister Jans. Er bezeichnete den EU-Migrations- und -Asylpakt als vorteilhaft für die Schweiz.
Auch ein Rückweisungsantrag der SVP mit dem Auftrag, nur die verbindlichen Elemente des Pakts ins Schweizer Recht zu übernehmen, scheiterte. Genauso erging es den Grünen, deren Nationalrat Balthasar Glättli (ZH) Rückweisung im Hinblick auf eine humanere Asylpolitik verlangte. Die Vorlagen gehen an den Ständerat.
Der EU-Migrations- und -Asylpakt soll im Juni 2026 in Kraft treten. Ziel ist es, die illegale Einwanderung und die Sekundärmigration innerhalb des Schengen-Raums durch harmonisierte und effiziente Asylverfahren zu verringern. Teile des Pakts stellen eine Erweiterung des Schengen-Besitzstandes dar und sind somit teilweise oder vollumfänglich für die Schweiz bindend.