CVP- und BDP-Politiker folgen dem Twitter-Account @AufbruchMitte. Nur ist dieser gar nicht der offizielle Kanal der künftigen Mitte-Partei – sondern fake.
AufbruchMitte Nicolas A. Rimoldi
Der Twitter-Account @AufbruchMitte verspricht offizielle Infos zum neuen Namen der CVP, «Die Mitte». Registriert hat den Namen allerdings FDPler Nicolas A. Rimoldi (rechts). - Screen Twitter / zvg
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Die CVP plant, sich in «Die Mitte» umzubenennen.
  • Der Twitter-Account @AufbruchMitte gibt vor, der offizielle Kommunikationskanal zu sein.
  • Diverse Politiker fallen darauf herein.

Die Erwartungen an den Relaunch und Namenswechsel der CVP sind hoch. Entsprechend enthusiastisch begleiteten namhafte CVPler die Kommunikation ihrer Partei letzte Woche. «Die Mitte» soll die Volkspartei in Zukunft heissen und Brücken schlagen über das katholische Milieu hinaus. Mit @AufbruchMitte war auch schnell ein eingängiger Name für einen Twitter-Account gefunden – allerdings nicht von der CVP.

Jungfreisinniger düpiert Mitte-Elite

Nicolas A. Rimoldi, umtriebiger Jungfreisinniger und im Vorstand der Auns, war origineller, schneller oder beides. Weil die CVP mit dem Hashtag #AufbruchMitte arbeitete, registrierte er flugs den entsprechenden Namen bei Twitter. Versehen mit Logo und froher Botschaft ging Rimoldi auf Follower-Fang. Und die Fische bissen an, sogar aus dem Parteipräsidium: Die Nationalräte Martin Candinas und Elisabeth Schneider Schneiter warten gespannt auf «mehr in Kürze»

Die illustre Follower-Liste enthält weitere Nationalräte, auch aus anderen Parteien. CVP-Kantonalparteien, -Kantonalpräsidenten, die Junge CVP und Preisüberwacher und CVP-Mitglied Stefan Meierhans liessen sich blenden. Politologen und Journalisten abonnierten den Kanal, auch solche von Nau.ch – natürlich rein aus Interesse.

«Eine gutgemeinte Erinnerung»

Rimoldi amüsiert sich derweil köstlich über seinen Streich, der Plan ging auf. «Es ist immer wieder wichtig, politische Entscheidungsträger daran zu erinnern: Auch im Internet müssen Fakten genau geprüft werden.»

Gerhard Pfister CVP Mitte
Gerhard Pfister, Parteipräsident der CVP Schweiz, spricht an der Delegiertenversammlung am Samstag, 5. September 2020, in Baden. - Keystone

Seine Aktion sei eine gutgemeinte Erinnerung daran, dass man als Politiker in einer Verantwortungsposition sei und dementsprechend handeln sollte. «Besonders bezüglich Corona-Massnahmen wurde deutlich, dass Entscheide aus reiner Angst anstatt auf Faktenbasis gefällt wurden. Und dies dann der Schweiz massiv geschadet hat.»

Auch CVP-Braut BDP düpiert

Sogar BDP-Präsident Martin Landolt hat Rimoldi reingelegt – just den Mann, der seine eigene Partei mit «Die Mitte» verheiraten will. Aber zumindest vorläufig noch nicht auf dem Laufenden gehalten wird von den künftigen Parteilebensabschnittspartnern.

Martin Landolt AufbruchMitte
BDP-Präsident Martin Landolt verhilft dem Account @AufbruchMitte zu mehr Reichweite und Glaubwürdigkeit mit einem Retweet. - Screenshot Twitter

Landolt retweetet gar den Tweet von @AufbruchMitte – und noch immer merkt niemand etwas. Dafür zählt nun auch der Account der BDP Schweiz zu den Followern. «Vor allem hat ja die Mitgliederbasis den Namen noch gar nicht abgesegnet», gibt Rimoldi zu bedenken. Das hätte doch zumindest Stirnrunzeln verursachen müssen.

CVP hatte Hinweise

Fairerweise muss man sagen: Die Parteispitze und ihr Sekretariat haben und hatten wohl grad sehr viel um die Ohren. Die Namensänderung will seriös aufgegleist sein, die Session auch, jetzt läuft die Session und Corona findet auch immer noch statt.

Trotzdem: Rimoldi hat es im Namen seines Fake-Accounts der CVP sogar selbst mitgeteilt. Dass sie nämlich mitteile, dass @AufbruchMitte im Namen der CVP mitteilen werde. Sein Account wurde in Twitter-Antworten reingezogen, von CVP-Grössen, CVP-Kritikern und Parteipräsidenten. Als sich ein Twitter-User mokiert, es gebe noch keinen Mitte-Twitter-Account, wird er prompt von einer BDPlerin zurechtgewiesen: Doch, gibt es, @AufbruchMitte.

Amüsant, aber erschreckend

So lustig der Schabernack von Spitzbube Rimoldi sein mag, hat sein «Erfolg» doch auch Schattenseiten. Besser wäre wohl, der Account-Bschiss wäre längst aufgeflogen. «Es ist erschreckend, wie besonders im Internet Politiker, die grosse Verantwortung tragen, nicht genau hinschauen», findet Rimoldi.

Und ganz der Aktivist für seine politischen Anliegen, darf der Seitenhieb an die CVP natürlich nicht fehlen. «Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet CVP-Politiker, die unsicheres E-Voting fordern, einen offensichtlichen Fake-Account nicht erkennen.» Die Frage wäre dann, ob das bei anderen Parteien tatsächlich anders herausgekommen wäre.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Die MitteBDPPreisüberwacherInternetAngstE-VotingTwitter