Das Bundesamt für Statistik muss die Zahlen der Wahlen 2023 korrigieren. Das wäre an und für sich nicht schlimm. Ein Kommentar.
Georges-Simon Ulrich, Direktor BFS, nimmt im Interview mit Nau.ch Stellung zu den falschen Zahlen bei den Wahlen 2023. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Das BFS hat die Prozentzahlen der Wahlen 2023 berichtigen müssen.
  • Das ist unschön und einigermassen erstaunlich.
  • Aber soll man mit dem Finger aufs BFS zeigen? Ein Kommentar.
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Das Bundesamt für Statistik hat falsche Zahlen publiziert zu den Wahlen 2023. Die Parteistärken stimmten nicht, was vor allem wegen des Kopf-an-Kopf-Rennens von Mitte und FDP relevant ist. Jaja, shit happens; wer rechnen kann, werfe den ersten Stein; irren ist männlich/weiblich/divers; und so weiter.

Fakt ist: Es ist ärgerlich und es ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die «es» schon immer wussten. Ganz egal, was «es» war. Doch das ist nicht der Punkt.

Es ist nichts passiert

Fakt ist auch: Falsch waren einzig die national aufgerechneten Parteienprozente. Alles andere bleibt gleich, weil damit das BFS auch gar nichts zu tun hatte: Die Anzahl Sitze pro Partei im Nationalrat und die Namen der Gewählten, denn die sind Sache der Kantone. Die landesweiten prozentualen Wähleranteile haben keinerlei Konsequenzen, denn in der Bundesverfassung kommen sie gar nicht vor.

Wähleranteile FDP Mitte korrigiert
Die richtigen (links) und die falschen Prozentzahlen der Wähleranteile von FDP und Mitte. Bei genauer Betrachtung ist der Unterschied klar ersichtlich. Aber auch nur dann. - BFS / Nau.ch

Die Berechnung des BFS ist so gesehen reiner Service public zur Befriedigung unserer Neugier. Zu denken geben sollte uns, wenn schon, dass wegen zwei Zehntelprozenten darüber diskutiert wird, welche Partei doppelt so viele Bundesräte stellen darf wie die andere. Der beste Beweis, dass die Zauberformel mit solchen Konstellationen nicht gefüttert werden sollte.

Wer ist der Bölimaa?

Das BFS nimmt den Fehler auf seine Kappe, was löblich und rein technisch korrekt ist. Weil die beiden Appenzell und Glarus ein anderes Format zur Datenübermittlung verwenden, hat jemand im BFS ein Programm schreiben müssen. Ein Programm zur Addition von Stimmenzahlen aus drei Kantonen: Das kann nicht wahnsinnig komplex sein, aber hier wurde geschlampt.

BFS Georges-Simon Ulrich
Der Direktor des BFS, Georges-Simon Ulrich, kurz vor Beginn der Medienkonferenz des Bundesamtes für Statistik (BFS), am 25. Oktober 2023 in Bern. - keystone

Nur bekundet das BFS normalerweise mit weitaus verzwickteren Daten bedeutend weniger Mühe. Gemeindeporträts anhand der Bodennutzung? Kein Problem, Angaben inklusive Spezialflächen und inklusive Seen, sofern diese weniger als fünf Quadratkilometer gross sind. Atypische Beschäftigungsformen in den Jahren 2010–2020: Schön gruppiert nach Geschlecht, Alter, Beruf, Nationalität, Beschäftigungsgrad und tiefen Beschäftigungsgraden aufgrund von Aus- und Weiterbildung sowie aus familiären und persönlichen Gründen.

Haben Sie am Sonntag gewählt?

Ein Klacks; was ja wohl nur heissen kann, dass bei den Wahlen nicht das Additions-Programm, sondern dessen Schnittstelle zum viel komplexeren Haupt-Programm der Stolperstein sein kann. Wäre es da nicht super, wenn alle Kantone dem BFS die Daten schon im passenden Format liefern könnten? Aber nein, AI, AR und GL haben eben nur einen Nationalratssitz und darum andere Wahlsysteme.

Verständlicherweise andere Prioritäten

Während grössere Kantone für dieses und jenes eigene Spezialisten haben, muss wohl im Appenzellischen am Wahlsonntag die Ratskanzlei Überstunden schieben. Das sind keine Programmierer und darum gibt es halt fürs BFS nur eine Excel-Tabelle.

Regina Durrer-Knobel Nidwalden
Regina Durrer-Knobel, Die Mitte, ist die neugewählte Nidwaldner Nationalrätin. (KEYSTONE/Philipp Schmidli) - sda - KEYSTONE/PHILIPP SCHMIDLI

Nur: Auch Uri, Nid- und Obwalden haben nur einen Nationalratssitz und schaffen es trotzdem, dem BFS nicht noch zusätzliches Kopfzerbrechen zu bereiten. Aber tja, man kann nicht alles haben. Schliesslich hat Appenzell Innerrhoden nur rund 16'000 Einwohner und musste unter anderem auch noch das minimale Betreuungspersonal pro Gruppe Kinder – je nach Alter – bei der familienergänzenden Betreuung definieren.

Der ist nämlich anders als in Appenzell Ausserrhoden und noch einmal anders als in Glarus. Ich weiss, was sie jetzt denken, aber: Kinder sind nun mal wichtiger als Wahlen und haben alle einen ganz besonderen Betreuungsschlüssel verdient.

Kita Kind Zürich Sonnenbrille
Ein Junge mit Sonnenhut und Sonnenbrille in der Garderobe der Kita 6a der Stiftung GFZ, aufgenommen am 9. Juli 2020 in Zürich. - Keystone

Deshalb kann man ja auch nicht einfach den Betreuungsschlüssel für Appenzellerkinder auf Kinder aus dem Zigerschlitz anwenden. Wo kämen wir da hin! Da könnte man ja gleich die Wahlresultatübermittlungssoftware aus Obwalden nach Ausserrhoden verschenken. Auf solch abwegige Gedanken ist zum Glück noch niemand gekommen.

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