Eltern entsetzt über Warnung vor Kinder-Impfung im Ausland
Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Eltern weichen ins Ausland aus, um unter 12-jährigen Kinder impfen zu lassen.
- Ärzte warnen vor so einem Schritt.
- Das sei wie eine Empfehlung zur Infektion, sagen entsetzte Eltern zu Nau.ch.
Für Kinder zugelassen ist die Impfung für unter Zwölfjährige nicht. In der Schweiz wiegeln die offiziellen Stellen ab, ob das überhaupt dringend sei. Besorgte Eltern weichen nun ins Ausland aus, wo «off label» Impfungen zumindest geduldet werden. Der Präsident der Kantonsärzte, der Zuger Rudolf Hauri, warnt aber vor den Risiken eines solchen Schritts.
Rui Biagini, Mitgründer von «Protect the Kids», ist von dieser Aussage entsetzt. «Wenn man vor der Impfung warnt, dann empfiehlt man eine Infektion mit dem Coronavirus!» Im Interview mit Nau.ch begründet er diesen Vorwurf und berichtet von verzweifelten Eltern auf der Suche nach einem Impftermin.
Nau.ch: Herr Biagini, der Präsident der Kantonsärzte warnt Eltern davor, ihre Kinder im Ausland gegen Coronavirus impfen zu lassen. In Ihren Augen «empfiehlt» er damit das Gegenteil einer Impfung, nämlich die Infektion mit einem gefährlichen Virus. Ist dieser Umkehrschluss, dieser Vorwurf an einen Mediziner, wirklich gerechtfertigt?
Rui Biagini: Es gibt einen breiten Konsens, dass früher oder später jede Person mit dem Coronavirus in Kontakt kommen wird. Wenn alle mit dem Virus in Kontakt kommen werden, stellt sich vor allem die Frage, wie der «First Contact» zustande kommt: durch eine Impfung oder durch eine Infektion.
Auf den Winter hin steigt die Inzidenz deutlich, wir sehen das aktuell. Entsprechend steigt das Risiko, sich bald anzustecken. Wer in dieser Situation jetzt abwarten will und vor Impfungen warnt, gibt also der Ansteckung den Vorzug. Dann muss man aber auch erklären, warum man eine Infektion empfiehlt!
Nau.ch: Die Zulassung für Kinder unter 12 Jahren ist schlicht noch nicht da. Die Kantonsärzte und Bundesstellen warten auf den Entscheid von Swissmedic. So sind die Regeln.
Rui Biagini: Ich habe Verständnis dafür, dass Prozesse durchlaufen werden müssen, insbesondere bei Impfzulassungen. Aber dann müssen die Behörden die Kinder auch schützen, bis sie das Impfangebot erhalten. Leider fehlen vielerorts effektive Schutzmassnahmen wie CO2-Sensoren, Luftfilter oder Masken sowie repetitives Pooltesting in den Schulen.
In der jetzigen Situation wäre es noch mehr angezeigt, impfwilligen Eltern zu ermöglichen, ihre Kinder zu impfen. Um es in den Worten von Professor Karl Zwiauer zu sagen: «Es gibt in der Zwischenzeit ein sehr, sehr gutes Sicherheitsprofil und wir können davon ausgehen, dass die Impfung wirklich eine der ganz sicheren ist». Wenn die Behörden hier Zweifel haben, müssten sie nicht alle anderen Impfungen vom Markt nehmen?
Nau.ch: Als Arzt und speziell als Kantonsarzt kann Rudolf Hauri wohl schlecht etwas anderes empfehlen als die Impfkommission.
Rui Biagini: Ja, wie gesagt, dafür habe ich Verständnis. Den Prozess der Entscheidungsfindung der EKIF bis zur möglichen Empfehlung will ich nicht beeinflussen. Aber weshalb ist eine Off-Label-Impfung im europäischen Ausland möglich und bei uns nicht? Eine solche sollte doch möglich sein, wenn ein Arzt das OK gibt und die Eltern die Verantwortung übernehmen.
Nau.ch: Sie berichten von vielen Anfragen besorgter Eltern bei Ihnen. Geht es dabei vor allem um Kinder mit Risikofaktoren, oder was sind das für Familien, die an Sie gelangen?
Rui Biagini: Grösstenteils normale Kinder normaler Eltern. Eltern, die sich fortlaufend informiert haben. Sie sehen: Kinder sterben an Covid 19, nicht nur vorbelastete und Folgeerkrankungen wie PIMS und Long Covid haben massive Konsequenzen für betroffene Familien.
Das CDC hat den Entscheid für eine Impfempfehlung der U12 mit 14:0 gefällt. Selbst bei tiefster Inzidenz sei die Impfung das kleinere Risiko. Als der CDC-Entscheid da war, ist die Zahl der Anfragen bei uns für Off-Label-Impfungen sprunghaft angestiegen.
Nau.ch: Gleichzeitig weiss das BAG von lediglich rund 150 Kindern unter 12 Jahren, die geimpft sind. Dabei dürfte es sich überwiegend um Spezialfälle handeln.
Rui Biagini: Ich weiss nicht, wie das BAG auf diese Zahl kommt, sind das vielleicht die offiziell geimpften Kinder? Ich weiss durch mein Engagement von einigen Familien, deren Kinder unter 12 geimpft sind. Das begann bereits im Sommer. Vermutlich sind das alleine schon an die 150 Kinder.
Wenn die Eltern die Möglichkeit für eine Impfung sehen, dann fahren sie auch 500 Kilometer. Vermitteln können wir leider im Moment niemanden. Alle uns bekannten Impfärzte sind völlig überrannt. Ich habe in der Woche seit der CDC Notzulassung sicher an die 20 Anfragen erhalten. Im Moment verweise ich auf Wien – es gibt sicher solche, die auch dorthin fliegen würden.