Ärzte fordern keine Kinder-Werbung für ungesundes Essen
Der Bundesrat soll bei der Gesetzesrevision mitbedenken, dass ungesunde Lebensmittel nicht zielgerichtet bei Kindern beworben werden sollten.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Lebensmittelgesetz wird revidiert.
- Eine breite Allianz fordert, darin auch Kinderwerbung für Ungesundes zu regeln.
- In einem offenen Brief appellieren Ärzte etc. an Bundesrätin Baume-Schneider.
In einem offenen Brief an Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider zeigt sich die «Allianz Ernährung und Gesundheit» besorgt: Es brauche verbindliche Regeln gegen Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richte.

Zu den angeprangerten Lebensmitteln zählten unter anderem Snacks, Süssgetränke oder Fertigprodukte, heisst es in einer Medienmitteilung der Allianz.
Ihr gehören über 20 Organisationen an, darunter die Berufsverbände der Kinderärzte und Zahnärzte, aber auch die Krebsliga und der Konsumentenschutz.
Keine Werbeverbote – aber nicht gezielt Kinder ansprechen
Der offene Brief richtet sich an Bundesrätin Baume-Schneider, weil ihr Departement für die bevorstehende Revision des Lebensmittelgesetzes zuständig ist.
Der Allianz schwebt nicht ein Werbeverbot für alles Süsse, Salzige und Fettige vor. Aber mit dem Marketing sollen Kinder nicht mehr gezielt angesprochen werden.

Eine ähnliche Regelung hat das Stimmvolk beim Tabak bereits gutgeheissen. Seither tut sich das Parlament bei der Umsetzung der Regelung allerding schwer. Die Allianz verweist indes auf Norwegen, wo ein neues Werbeverbot für U18 auch von der Industrie akzeptiert werde.
Praktisch alle Kinderlebensmittel ungesund
Man weiss es: Wir essen zu viel Zucker, in der Schweiz mehr als doppelt so viel wie von der WHO empfohlen. Zwar gebe es keine Daten zum Zuckerkonsum von Kindern in der Schweiz. Doch aus anderen Ländern wisse man, dass dieser meist noch höher liege als bei Erwachsenen.
Das Problem scheint weniger das Verhalten, sondern die Lebensmittel selbst zu sein. Denn eine Erhebung von 2022 habe gezeigt: Von den Lebensmitteln, die sich gemäss Verpackungsdesign an Kinder richten, enthalten 94 Prozent einen hohen Fett-, Salz- und Zuckergehalt.

Eine deutsche Studie mit Kindern zwischen 3 und 13 Jahren untersuchte die Werbespots, die diese Kinder zu sehen bekamen.
Wer Internet und Fernsehen nutzte, sah im Schnitt deren 17 pro Tag. Davon ging es bei 92 Prozent um Lebensmittel mit hohem Fett-, Salz- und Zuckergehalt.
Detailhandel kritisch: Definition wird schwierig
«Gummibärli und Schoggi-Hasen werden von Gross und Klein gemocht», gibt Dagmar Jenni zu bedenken. Sie ist Direktorin der Swiss Retail Federation, dem Verband der Detailhandelsunternehmen.
Ein generelles Verbot von Werbung für «ungesunde» Lebensmittel, die sich an Kinder richte, sieht sie kritisch.
Denn: «Was gehört dazu?» Eine solche Regelung werfe zahlreiche ungeklärte Fragen zur Definition von Zielgruppen, betroffenen Produkten und Altersgrenzen auf.
Es bestehe das Risiko, dass auch die Werbefreiheit gegenüber Erwachsenen unverhältnismässig eingeschränkt werde.
Beispiel Weihnachten, wenn in einer Werbung Kinder dem Konfiseur bei der Pralinéherstellung zuschauen. Oder freudig eine Tafel Schoggi entgegennehmen: «Ist das schon Werbung, die sich an Kinder richtet?», fragt Dagmar Jenni.
Die «Allianz Ernährung und Gesundheit» hält dem entgegen, dass Kinder äusserst empfänglich für Marketing seien, heisst es im offenen Brief.
«Das zeigt sich daran, dass Kinder nicht fähig sind, die Werbung als solche zu identifizieren und deren Absichten zu durchschauen. Die freiwilligen Massnahmen der Industrie hält die Allianz nicht für ausreichend.