Corona hat viele Familien enger zusammengebracht. Nicht wenige haben die neu gewonnene gemeinsame Zeit mit Brett- und Kartenspielen verbracht. Die «Kinderspiel des Jahres»-Jury hofft, dass diese Liebe zum Spiel nun bleibt.
Mit einem Ball kann man Blätter, Pilze und Äpfel aufsammeln. Foto: Georg Wendt/dpa
Mit einem Ball kann man Blätter, Pilze und Äpfel aufsammeln. Foto: Georg Wendt/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der kleine rotbraune Tennisball rollt als Igel mit Kulleraugen über ein Feld aus Blättern, Äpfeln und Pilzen.

Das, was an seinen «Stacheln» hängen bleibt, zeigt den Weg ins sichere Häuschen, denn der Fuchs ist dem Igel auf den Fersen.

Ob sanft angestupst, wild gerollt oder mit Schmackes geworfen - diese Art zu würfeln, macht nicht nur Kindern Spass. Zusammen mit einer niedlichen Illustration, einer schönen Geschichte und einer kindgerechten Mischung aus Spannung, Action und Geschicklichkeit hat das Spiel «Speedy Roll» die Jury überzeugt und ist am Montag zum «Kinderspiel des Jahres» gekürt worden.

Damit hat es sich gegen etwa 110 Kinderspiele für Drei- bis Achtjährige durchgesetzt, die von einer unabhängigen Jury aus Fachjournalisten gemeinsam mit Familien und Kindern getestet wurden. Erfinder von «Speedy Roll» ist der Litauer Urtis Šulinskas. Das Spiel für Kinder ab vier Jahren aus dem Verlag Piatnik/Lifestyle Boardgames kann sowohl gegeneinander als auch miteinander gespielt werden.

Nominiert waren zudem das farbenfrohe Reaktionsspiel «Foto Fish» (Logis-Verlag) sowie das kooperative Einschätzspiel «Wir sind die Roboter» (Nürnberger Spielkarten-Verlag). Bei «Foto Fish» müssen die Spieler in einem Aquarium die von zwei Würfeln vorgegebenen farbigen Fische im Sucher ihrer Kamera finden. Zwar bekommt der Schnellste die grössere Belohnung, aber bei dem Spiel geht keiner leer aus, was den Frust der Spieler minimiert und den Spielespass erhöht.

Bei dem Kartenspiel «Wir sind die Roboter» werden die Spieler selbst zu Robotern und müssen mit den Augen in einer vorgegebenen Geschwindigkeit eine Rennstrecke abgehen. Ihre Mitspieler müssen erraten, wie weit er dabei gekommen ist - das schärft die Empathie füreinander.

«Wir haben in diesem Jahrgang wirklich wahnsinnig gute Spiele gehabt. Dieser Jahrgang hat so viele Innovationen und tolle Welten für Kinder aufgemacht, wir waren sehr begeistert», sagte Kinderspiel-Koordinator Christoph Schlewinski der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. Besonders auffällig sei dabei gewesen, dass sich die Spieleentwickler mittlerweile immer mehr trauen, Genres aus Erwachsenenspielen kindgerecht für die jungen Spieler aufzubereiten. Das sei nicht immer leicht, aber in vielen Fällen gut gelungen.

«Der Spannungsbogen muss richtig gut sein, das Spiel muss einen ganz leichten Einstieg haben und es muss zur meist kurzen Aufmerksamkeitsspanne passen. Da macht man sich keine Vorstellung davon, wie anspruchsvoll das ist», so Schlewinski.

Anspruchsvoll war in diesem Jahr auch die Testphase für die Jury. Sie konnte wegen der Corona-Pandemie nur bis Mitte März in den Schulen und Kindergärten zusammen mit den Mädchen und Jungen den Spielespass der Neuerscheinungen testen. Danach halfen Familien und Kinder aus dem Bekanntenkreis. Einige Spiele konnten deshalb nicht geprüft werden. Sie sollen aber eventuell 2021 noch eine Chance bekommen.

Gleichzeitig aber hat der bundesweite Lockdown zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus für die Spielebranche auch positive Seiten: Wer nicht wegfahren und ausgehen konnte, hat eben daheim nach Alternativen gesucht. Das gemeinsame Spielen war dabei durchaus für viele eine Option. Die Umsatzzahlen sind dem Verband der Spieleverlage zufolge bis April 2020 um 23 Prozent gestiegen. Vor allem Logikspiele und Puzzle zum Allein-Knobeln seien dabei beliebt gewesen, sagte Verbandspräsident Hermann Hutter der dpa.

Aber auch Familien haben verstärkt Karten- und Brettspiele gekauft. «Bei den Kinderspielen gab es eine Umsatzsteigerung von fast 16 Prozent», sagte Hutter. Jährlich kommen in Deutschland etwa 1500 Spiele neu auf den Markt. In den vergangenen fünf Jahren seien diese Zahlen um etwa 50 Prozent gestiegen.

Hutter und auch Jury-Koordinator Schlewinski hoffen nun, dass die - vielleicht auch neu entdeckte - Leidenschaft fürs gemeinsame Spielen nach der Corona-Krise noch hält. «Wir hoffen natürlich, dass dieser Trend nachhaltig ist und die Lust auf mehr bleibt. Was man als Kind gern gemacht hat, bleibt ja oft ein Leben lang», sagte Hutter, der selbst einen Spieleverlag leitet, dazu.

Und Schlewinski ergänzt, dass das auch den Kindern zu wünschen sei. «Durch das regelmässige Spielen verändern sich Kinder. Sie trauen sich mehr, lernen nebenbei Zahlen und Farblehre und es fördert die soziale Kompetenz.» Er hoffe deshalb, dass die mehrmonatige Corona-Zwangspause von den vielen Nachmittags-Freizeitaktivitäten der Kinder nun zu einer dauerhaften Entschleunigung in den Familien führt. Und zu einer «Rückbesinnung» auf das gemeinsame Erleben von Gesellschaftsspielen.

© dpa-infocom, dpa:200615-99-428266/4

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