Wer sich für Literatur interessiert, kommt diesen Sommer nicht an Sally Rooney vorbei. Seit ihrem Debüt 2017 verehren Kritiker und Publikum die junge Irin. Nun ist ihr erster Roman auf Deutsch erschienen. Was ist dran am Hype?
«Gespräche mit Freunden» von Sally Rooney. Foto: Luchterhand Verlag
«Gespräche mit Freunden» von Sally Rooney. Foto: Luchterhand Verlag - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • «Unglaublich, dass dies ein Debüt sein soll», hat die britische Schriftstellerin Zadie Smith über Sally Rooneys Roman «Gespräche mit Freunden» gesagt, der 2017 im Original und nun auf Deutsch erschienen ist.

Auf der Rückseite des Buches prangt neben Smiths Zitat auch eins der amerikanischen Schauspielerin Sarah Jessica Parker («Sex and the City»): «Dieses Buch. Dieses Buch. Ich habe es an einem Tag gelesen. Und wie ich höre, stehe ich damit nicht allein.»

Dass Bücher mit wohlwollenden Zitaten bekannter Leute beworben werden, ist soweit normal. Allerdings sind die Leute auch bei Rooneys zweitem Roman «Normal People» ausgeflippt. Er erschien 2018 und war unter anderem für den Man Booker Prize nominiert. Auch «Gespräche mit Freunden» bekam Preise, der Roman erscheint nun in 30 Ländern. Das Magazin «New Yorker» widmete Rooney ein grosses Porträt, auch die deutschen Feuilletons beschäftigen sich mit ihr, die «Süddeutsche Zeitung» etwa befand: «Der ganze Hype ist in diesem Fall glücklicherweise komplett berechtigt.»

Sally Rooney ist gerade mal 28. Sie stammt aus Castlebar im Westen Irlands und hat am altehrwürdigen Dubliner Trinity College studiert, erst Politik, dann Literatur. Sie war im Debattierclub und erregte 2015 mit einem Essay die Aufmerksamkeit einer Agentin. Diese fragte nach den literarischen Texten Rooneys und - so steht es im «New Yorker» - als Rooney ihr schliesslich das Manuskript zu «Gespräche mit Freunden» schickte, erhielt die Agentin Angebote von gleich sieben Verlagen.

Der Roman handelt von Liebe und Freundschaft, aber auch von Klassenunterschieden, Geld und Status, der Suche nach Zugehörigkeit. Es geht um drei Frauen und einen Mann. Die Ich-Erzählerin Frances ist Anfang 20 und ständig pleite. Sie studiert in Dublin, schreibt Gedichte und tritt mit ihrer Ex-Freundin Bobbi bei Open-Mic-Abenden auf. Die beiden lernen Melissa und Nick kennen, sie Fotografin, er Schauspieler, beide älter, beide reich, er sehr gut aussehend, sie sehr angesehen. Frances und Nick fangen etwas miteinander an. Und Frances emanzipiert sich von Bobbi, von der sie sagt, dass sie eigentlich lieber sie wäre als sie selbst.

Nicht nur die Konstellation sorgt für Spannung. Der Roman ist auch deshalb sehr gut, weil er sehr gut erzählt ist. Die Beobachtungen Frances’ sind scharf und witzig, der Ton ist klug-distanziert. Da nimmt sich jemand nicht sonderlich ernst, hat sogar ein ziemliches Problem mit sich selbst: «Manchmal kam es mir so vor, als würde ich es nicht schaffen, mich für mein eigenes Leben zu interessieren, und das deprimierte mich.»

Den Kern der Geschichte, die Affäre mit Nick, ist mitreissend, weil Rooney diese Affäre langsam, detailliert und absolut unaufgeregt erzählt. Ein wichtiger Teil der Beziehung sind SMS, Chats und E-Mails: «Ich liebte es, wenn er auf diese Weise für mich verfügbar war, wenn unsere Beziehung wie ein Word-Dokument war, das wir zusammen schrieben und bearbeiteten oder wie ein Insiderwitz, den niemand ausser uns verstehen konnte.» Oder, nach dem ersten Kuss: «Es wäre dramatisch gewesen, Grossschreibung in so einer angespannten Lage einzuführen.»

Ein anderer wichtiger Teil der Beziehung: «Der Sex war so gut, dass ich oft schon währenddessen weinte.» Die «Zeit» schrieb, man wolle bei der Lektüre selbst sofort Sex haben. Rooney gelingt es, darüber zu schreiben, ohne dass es peinlich oder kitschig wird. Sie beschreibt explizit, aber einfühlsam, ein bisschen so, als läge man neben Frances und Nick im Bett und sähe zu.

Diese detaillierte Beiläufigkeit macht Rooney so lesenswert: Man sieht (jungen) Leuten einfach beim Leben zu - ähnlich wie in Noah Baumbachs Film «Frances Ha», dem gefeierten Millennial-Porträt mit Greta Gerwig aus dem Jahr 2013. Rooneys Protagonistin trägt vermutlich nicht zufällig denselben Vornamen, zumal sie und Bobbi den Film einmal zusammen ansehen.

Paare und Triaden seien ihr Ding, hat Rooney dem «New Yorker» verraten. Sie schreibt seit ihrer Jugend, habe schon damals ähnliche Ideen gehabt, allerdings nicht gut geschrieben. Das könne sie erst, seit sie ihren Partner kennengelernt habe, sagt die junge Irin mit dem blassen Teint und den rötlichbraunen Haaren. Sie lebt in Dublin mit einem Mathelehrer zusammen.

Rooneys zweiter Roman «Normal People» erscheint im Winter in Deutschland. Darin geht es um die Beziehung der Aussenseiterin Marianne und dem beliebten Connell. Es gibt wieder viel Sex, auch schlechten. Die psychologische Konstellation ist um einiges dunkler als in Rooneys Debüt.

Auch ihre Kurzgeschichten drehen sich um Begegnungen zwischen Frauen und Männern. Ihre Frauenfiguren sind klug, kühl - und überlegen. Der «New Yorker» schrieb, man sehe jungen Frauen beim «intellektuellen Hooliganismus» zu - alles Mittelmässige, das ihnen begegne, zerstörten sie, «just for the fun of it», nur zum Spass.

Rooney, die Redakteurin beim irischen Literaturmagazin «The Stinging Fly» ist und in einem linken Elternhaus aufwuchs, sagte der «Zeit», dass sie sich manchmal frage, wie sie ihr privilegiertes Leben rechtfertigen könne. «Wieso darf ich den ganzen Tag im Schlafanzug rumsitzen und mir Geschichten ausdenken, während es anderen so schlecht geht?»

- Sally Rooney: Gespräche mit Freunden, Luchterhand, 384 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-630-87541-5.

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