Japanische Filme wie der jüngst mit dem Auslands-Oscar geehrte Film «Drive My Car» erfreuen sich weltweiter Beliebtheit. Jetzt sind seit kurzem auf Netflix gekürzte Folgen einer japanischen TV-Unterhaltungsdoku zu sehen.
Miro ist alt genug, um erstmals ohne Begleitung etwas zu erledigen.
Miro ist alt genug, um erstmals ohne Begleitung etwas zu erledigen. - Vendor/Nippon Television Network Corporation/Netflix/dpa
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Hiroki steht vor dem grössten Abenteuer seines Lebens.

Zwei Jahre und neun Monate ist der kleine Japaner gerade mal alt, doch nun soll er für seine Eltern erstmals ganz alleine zum Einkaufen gehen: Blumen für den Hausaltar und jeweils eine Packung Currygericht und gebratenen Fischkuchen.

«Pass auf dich auf», ruft ihm die Mutter ein letztes Mal zu, als sich Hiroki auf den Weg zum Supermarkt macht. So beginnt eine Folge der in Japan seit drei Jahrzehnten beliebten Unterhaltungs-Doku «Hajimete no Otsukai» (erste Erledigung) des Senders Nippon TV, die nun das weltweite Publikum gewinnen will: Seit kurzem sind ausgewählte und gekürzte Folgen im Streaming-Dienst Netflix unter dem englischen Titel «Old Enough!» (Alt genug!) zu sehen.

Das erste Mal alleine

Kinder im Alter von etwa 3 bis 6 Jahren werden von ihren Eltern auf den Weg geschickt, um erstmals ohne Begleitung etwas zu erledigen. Das läuft natürlich nicht immer glatt ab. Anfangs ist den Kindern mulmig, allein loszugehen. Kein Wunder: Hirokis Weg zum Supermarkt ist einen Kilometer lang. Ein anderes Mal ist ein kleines Mädchen zu sehen, das unter Tränen zur Mutter zurückkehrt, nachdem es sich verlaufen hat. Doch dann macht sich die Kleine erneut auf den Weg.

Die Kinder, von denen nur die Vornamen eingeblendet werden, bekommen eine «Amuletttasche» um den Hals gehängt, an dem sich ein drahtloses Mikrofon befindet. Dadurch können die Zuschauer hören, wenn das Kind mit sich selbst spricht oder eine Melodie summt. Dazu hört man die Stimme des Erzählers und zwischendurch kurzes Studio-Gelächter, ein für japanische TV-Shows übliches Konzept. Natürlich passiert es schon mal, dass ein Kind vor Aufregung vergisst, was es erledigen soll.

Selbstständigkeit soll gefördert werden

All das ist rührend, auch wenn ein Kind am Ende stolz auf sich ist, es geschafft zu haben. Ziel der Sendung ist es denn auch zum einen, die Selbstständigkeit der Kinder zu fördern. Zum anderen sollen die Fernsehzuschauer dazu angeregt werden, über die Beziehung zwischen Eltern und Kindern sowie über Kindererziehung nachzudenken.

«Es gibt sicherlich nicht viele Länder wie Japan, in denen es für Kinder sicher ist, in der Stadt herumzulaufen», schrieb der japanische IT-Journalist Munechika Nishida zu den Gründen, warum die Show mit dem Netflix-Deal nun international den Durchbruch erlebt. In Japan dauern die Folgen allerdings viel länger als die bei Netflix: drei Stunden pro Sendung. Nur zwei Mal im Jahr werden sie ausgestrahlt, da die Herstellung der Shows Monate in Anspruch nimmt.

Kleine Abenteuer für Kinder

Die Kinder werden nach einem aufwendigen Auswahlverfahren ausgesucht. Eltern und Mitarbeiter gehen gemeinsam die Routen ab, um zu prüfen, ob die Strassen sicher sind und es keine verdächtigen Menschen gibt. Das Kamerateam und die Aufpasser bekommen eigens Verstecke zugewiesen. Alle Nachbarn in der Gegend werden über den Ablauf informiert, damit sie nicht aufgeregt die Polizei alarmieren und ein Kind ohne Begleitung melden, das ziellos durch die Strassen irrt.

Seit drei Jahrzehnten erfreut sich das Format grosser Beliebtheit: Die Einschaltquoten liegen in Japan durchschnittlich zwischen 15 Prozent und mehr als 20 Prozent. Es gibt laut japanischen Medienberichten sogar Fälle, bei denen Kinder, die in der amüsanten Doku in der Vergangenheit aufgetreten waren, heute selbst Eltern sind und sich nun das gleiche Abenteuer für ihre Kinder wünschen. Ob die für den Deal der Japaner mit Netflix bereitgestellten gekürzten Folgen auf genauso ein begeistertes Echo stossen werden, bleibt abzuwarten.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

MutterFilmeNetflix