In Zeiten der Schurkerei: «Das schwarze Band»
Eine tolles Ermittlerduo und fulminante Milieuschilderungen machen die Krimis der österreichischen Autorin Alex Beer zum Lesegenuss.

Das Wichtigste in Kürze
- August Emmerich ist längst zu einer Art Kultfigur geworden, quasi das Wiener Gegenstück zu dem Berliner Kriminalisten Gereon Rath («Babylon Berlin»).
So wie Rath in Volker Kutschers legendärer Krimiserie im schillernd-abgründigen Berlin der späten 20er Jahre ermittelt, bewegt sich Alex Beers raubeiniger Kriminalinspektor durch das geschundene Wien der Nachkriegszeit. In beiden Fällen gelingen faszinierende Porträts von Gesellschaften, die vom Stigma der Kriegsniederlage gezeichnet sind: Schmerzliche Verluste, kaputte Biografien, brutale Armut, aber auch Gier und ungezügelte Lebenslust vermischen sich zu einem wilden Gebräu, in dem schräge Figuren und Verbrechen gedeihen. Somit gibt es auch viel Arbeit für Kommissare.
In dem neuen Roman «Das schwarze Band» geht es um ein typisches Nachkriegs-Phänomen, das den jungen Republiken in Österreich wie in Deutschland schwer zu schaffen machte: Versuche von Revanchisten beziehungsweise Monarchisten, die alte Ordnung gewaltsam wiederherzustellen. In dem speziellen Fall hat es Emmerich mit einem handfesten Komplott von Aristokraten zu tun, die den letzten Habsburger-Kaiser Karl wieder in Amt und Würden sehen wollen. Der derzeitige Bundeskanzler ist da natürlich nur im Weg.
Zuvor jedoch beschäftigt Emmerich der Mord an zwei jungen Frauen, die sich als Barmädchen und Prostituierte über Wasser halten. Eine dritte junge Frau, die mit den Mordopfern die Wohnung teilte, ist spurlos verschwunden. Sie aufzuspüren bleibt allerdings Emmerichs jungem Assistenten Ferdinand Winter überlassen. Denn zu seinem grossen Verdruss wird der Kriminalinspektor selbst zu einem einwöchigen Benimmkurs abkommandiert. Dort will man dem für seine harschen Umgangsformen berüchtigten Ermittler ein bisschen mehr Schliff beibringen. Besonders ärgerlich ist für Emmerich, dass der Kurs von seinem verhassten Gegenspieler Brühl geleitet wird, der seine Macht weidlich ausnutzt. Der ganze Kurs scheint ein abgekartetes Spiel zu sein.
Assistent Ferdinand Winter, verarmter Adelssprössling mit feinen Manieren, muss sich nun allein in dem verruchten Rotlichtmilieu herumtreiben, was dem empfindsamen jungen Mann schwer zu schaffen macht. Bei der Recherche wird er in ein Etablissement mit finsteren kriminellen Machenschaften gelockt. Wie soll er je aus dieser Hölle wieder heil herauskommen? Und ausgerechnet seine aristokratischen Standesgenossen betreiben ein schmutziges Spiel. Denn es gibt offenbar eine Verbindung zwischen dem Mord an den Frauen und einem politischen Komplott.
Das sympathische Duo Emmerich-Winter ist ein Spiegelbild der Wiener Gesellschaft jener tristen Nachkriegsjahre. Emmerich, erst Waisenkind, dann Kriegsinvalide, hat die Ungerechtigkeiten der Klassengesellschaft in voller Härte kennengelernt. Kein Wunder, dass sein Herz fürs einfache Volk schlägt und er die feinen Pinkel und ihr vornehmes Getue verachtet. Er glaubt an die Demokratie und die junge Republik, denn «in einer Republik wird es weniger Ungleichheit geben.»
Winter dagegen leidet unter seinem gesellschaftlichen Abstieg: Sein Besitz ist weg und sogar sein «von» musste er ablegen, denn in der Republik gibt es nun offiziell keinen Adel mehr. Stattdessen hat in seinen Augen der Pöbel die Macht übernommen: «Unter dem Kaiser hätte es so etwas nicht gegeben. Die Galanterie hatte abgedankt, eine Zeit der Schurkerei war angebrochen.»
Das spannungsreiche, doch herzlich miteinander verbundene Ermittler-Duo ist eines der Erfolgsrezepte der Serie. Das zweite ist die authentische Milieu-Schilderung, die auf akribischer Recherche der studierten Archäologin beruht. Und dann ist Alex Beer natürlich einfach eine sehr gute Krimi-Schreiberin, die weiss, wie man einen Plot aufbaut und den Leser in den Bann zieht. All dies macht ihre Krimis zu einer Klasse für sich.
- Alex Beer: Das schwarze Band, Limes, München, 352 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-8090-2720-1.