Grosse unbekannte Barock-Malerin Michaelina Wautier in Wien
Das Kunsthistorische Museum in Wien (Ö) zeigt in seiner Herbstausstellung die Werke der Barockkünstlerin Michaelina Wautier und die flämische Malerei.

Das Kunsthistorische Museum in Wien widmet seine Herbstausstellung einer grossen Unbekannten des Barock: Michaelina Wautier. Das Museum hat sich der Erkundung des weiten Kosmos der flämischen Malerei verschrieben. 29 Gemälde, eine Zeichnung und eine Druckgrafik werden nun in den Dialog gesetzt mit Arbeiten von Rubens oder Van Dyck.
Man zeige nur unstrittige Werke der Malerin Michaelina Wautier; gerade einmal 35 seien bekannt, wie Jonathan Fine, Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums (KMH) in Wien bei der Präsentation der Schau sagte. Diese Zahl stelle aber mutmasslich nur einen Bruchteil des Wautier-Œuvres dar. Genauer lasse es sich nur schwer beziffern, da das Leben der Künstlerin doch über weite Strecken ein weisses Blatt sei. Das KMH besitzt weltweit den grössten Bestand an Werken der Barockmalerin.
Habsburgs Statthalter Erzherzog Leopold Wilhelm in Brüssel sammelte ihre Werke. Bis heute gibt es keine Zeugnisse aus Wautiers Hand, wenn man von der Signatur auf ihren Bildern absieht. Entsprechend wenig ist von der Barockmalerin bekannt, die etwa 1614 geboren worden sein dürfte und 1689 starb. Zudem sind zahlreiche Namensvarianten bekannt, beispielsweise Woutiers.
Künstlerin aus Wallonien erobert den Habsburger-Hof in Brüssel
Die Künstlerin stammte aus dem wallonischen Teil des heutigen Belgiens und erarbeitete sich auch ohne eine formelle Ausbildung den Einzug in die künstlerischen Kreise am Habsburger-Hof in Brüssel. Sie lebte mit ihrem ebenfalls malenden Bruder Charles Wautier zusammen und teilte sich mit ihm vermutlich auch ein Atelier.
«Wir müssen das Meiste über ihr Leben aus ihren Bildern ableiten», so Fine. Bemerkenswert ist etwa, dass sich die Künstlerin, anders als die meisten Geschlechtsgenossinnen ihrer Zeit, nicht auf Stillleben beschränkte, sondern lebendige Historiengemälde im starken Pinselstrich schuf – einer der Gründe, weshalb ihre Werke später oft Männern zugeschrieben wurden.
Von welcher Monumentalität diese Arbeiten teils waren, verdeutlicht das KMH nicht zuletzt mit einem Digitalprojekt zum «Triumph des Bacchus». Das Werk wurde im 18. Jahrhundert massiv beschnitten und wird nun mittels KI digital vervollständigt.
Seltene Leihgaben komplettieren Wautier-Ausstellung in Europa
Zu Hauptwerken wie dem «Bacchus» gesellen sich in der Ausstellung Leihgaben, so Wautiers Selbstporträt mit Malutensilien aus einer Privatsammlung oder ihre Serie «Die fünf Sinne» aus der Rose-Marie and Eijk Van Otterloo Collection, die erstmals vollständig in Europa zu sehen ist. Dabei wird vor allem deutlich, wie eigenständig der Gestus der Malerin bei den Porträts ausfiel.
Die fünf Burschen, die für je einen der Sinne stehen, zeigen den humorvollen und individuellen Blick der Künstlerin. Und auch das Porträt des Jesuitenpaters Martino Martini in chinesischem Hofgewand streicht die Eigenständigkeit des Abgebildeten heraus.
Die belgische Kunsthistorikerin und Wautier-Expertin Katlijne Van der Stighelen zeigte sich an der Präsentation der Ausstellung zuversichtlich, dass die Künstlerin nach Jahren, in denen sie vergessen war, nun bereit für den Durchbruch sei. «Die Antwort von Museumsvertretern war in den vergangenen Jahren stets: Man kann keine Ausstellung über eine Künstlerin machen, die niemand kennt.» Das KMH versucht nun, diese Vorstellung zu widerlegen.