Es ist wieder Festival-Zeit - Aber kaum Frauen auf der Bühne

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Deutschland,

Wenn auf Festivalbühnen lange Mähnen geschüttelt werden, stecken darunter selten Frauenköpfe. Die Zahl der Musikerinnen bei «Rock am Ring» und «Rock im Park» ist erschreckend gering. Ein Erklärungsversuch.

Die Ausnahme: Die US-Hardrocker Halestorm mit Frontfrau Lzzy Hale. Im November kommt die Band für vier weitere Konzerte nach Deutschland. Foto: WMG
Die Ausnahme: Die US-Hardrocker Halestorm mit Frontfrau Lzzy Hale. Im November kommt die Band für vier weitere Konzerte nach Deutschland. Foto: WMG - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Wochenende starten die Zwillingsfestivals «Rock am Ring» und «Rock im Park».

Bis zu 160.000 Rockfans werden erwartet - darunter nach Veranstalterangaben rund 40 Prozent Frauen. Die Männer sind in der Überzahl auf dem Festivalgelände. Doch noch viel krasser gilt das auf den Bühnen.

75 Acts haben sich angekündigt - darunter Metal-Grössen wie Slayer und Slipknot, Hiphoper wie Materia und Punker wie Feine Sahne Fischfilet und Die Ärzte. Grob überschlagen werden an den drei Festival-Tagen etwa 250 Musiker auf der Bühne stehen. Darunter sind, wenn man nach den Fotos auf der «Rock im Park»-Homepage geht, - sage und schreibe - nicht einmal zehn Frauen.

Der Frauenmangel auf Festivalbühnen ist bekannt. Im vergangenen Jahr lästerte Berlin über «Schniedelpalooza», weil auch beim Lollapalooza-Festival kaum Frauen im Lineup vertreten waren. Doch: Woher nehmen?

«Es gibt einfach viel mehr männliche Rockmusiker», sagt der Musiksoziologe Holger Schwetter. «Rock galt - und gilt - eher als Jungssache, Mädchen werden eher angehalten, weiche Instrumente zu lernen: Flöte, Geige, Klavier und nicht Schlagzeug, Bass oder E-Gitarre.»

Katharina Wenisch, die Sprecherin von Festivalveranstalter Marek Lieberberg, sagt: «Bei der Auswahl der Bands beziehungsweise Solo-Künstler, die bei «Rock am Ring» und «Rock im Park» spielen, achten wir vorrangig darauf, dass sie zu unseren Stilrichtungen passen. Hier sind Qualität und Aktualität entscheidend.»

Eine «gender-bezogene Auswahl» finde nicht statt, obwohl «eine Erhöhung des Frauenanteils extrem wichtig» sei - «nicht nur aus ökonomischer Hinsicht, sondern auch aus einem kulturell-sozialen Blickwinkel betrachtet».

Die beiden Rockfestivals, die traditionell den Auftakt zur Festivalsaison bilden, sind mit ihrer Männerlastigkeit alles andere als ein Sonderfall. Bei den Festivals «Southside» und «Hurricane» in diesem Jahr ist die Frauenquote zwar etwas besser, aber immer noch verschwindend gering. Ein ähnliches Bild auch in diesem Jahr in Wacken: Lange Haare überall - aber selten auf Frauenköpfen. Nur rund ein Dutzend Bands haben dort Frauen dabei.

«Und das sind wahrscheinlich die Sängerinnen ...», sagt Ilka Siedenburg, Professorin für Musikpädagogik an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) in Münster. «Das ist nicht neu, das Phänomen, und es zeigt sich noch mehr als im Gesang vor allem bei den instrumentellen Musikerinnen. Da wird es richtig dünn.»

In der klassischen Musik gebe es inzwischen zwar mehr Frauen als früher. «Aber im Pop, Rock und Jazz sind es erschreckend wenig. In Studiengängen für Populäre Musik liegt der Frauenanteil aktuell bei 20 bis 25 Prozent. Berücksichtigt man nur die Instrumentalistinnen, landet man im einstelligen Bereich.»

Siedenburg führt das auch darauf zurück, dass Mädchen viel seltener als Jungs Bands gründen. Ausserdem sei die Musikbranche eine männliche mit «fast ausschliesslich männlichen Produzenten».

Der Musikjournalist und Buchautor Ernst Hofacker («Flint oder der wundersame Gesang des Mellotron») wird deutlich und benennt einen traditionellen Sexismus, «das Machohafte», in der Branche: «Da kann man im wahrsten Sinne davon sprechen, dass die Jungs die Puppen haben tanzen lassen.»

Er betont allerdings, dass es nicht nur ein Problem der Rockmusik-Branche sei. «Das ist immer auch ein Bild der Gesellschaft. So lange es in einer Gesellschaft vollkommen normal ist, dass Mädels anders erzogen werden - Stichwort rosa und blau - und die wilde Rolle den Jungs überlassen wird, dann darf man sich nicht wundern.»

Es sei «gesellschaftlich nicht erwünscht, wenn Mädchen und Frauen Aggressionen zeigen und rauslassen», sagt Musiksoziologe Schwetter. «Und die Frauen in der Rockgeschichte werden marginalisiert.» Bob Dylan gelte zum Beispiel als «wertvoller» als Joni Mitchell.

Dass es in der Festival-Planung aber auch anders geht, hat das Festival «Primavera Sound» in Barcelona gezeigt. Dort gab es eine Frauenquote und mehr als 50 weibliche Acts - und trotzdem rund 200.000 Besucher. Schwetter sagt, er habe inzwischen Konsequenzen gezogen: «Ich habe für mich persönlich eine Frauenquote beim Musik-Kaufen eingeführt.»

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