Die Kessler-Schwestern standen mit Showstars wie Frank Sinatra auf der Bühne. In Paris, Rom und New York wurden die Zwillinge gefeiert. Abgehoben sind die beiden dennoch nicht.
Zusammen ist man stärker: Alice (r) und Ellen Kessler. Foto: Tobias Hase/dpa
Zusammen ist man stärker: Alice (r) und Ellen Kessler. Foto: Tobias Hase/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ihr Leben war die Showbühne - mehr als 60 Jahre lang standen Alice und Ellen Kessler weltweit im Scheinwerferlicht.

Inzwischen lassen es die beiden Schwestern ruhiger angehen.

Tanzend auf einer Bühne werde man sie nicht mehr sehen, sagen sie der Deutschen Presse-Agentur. Und wenn sie an diesem Freitag (20.8.) ihren 85. Geburtstag feiern, gibt es auch keine grosse Party. «Wir feiern mit engen Freunden.»

2016 traten die Kesslers noch in dem Musical «Ich war noch niemals in New York» auf, danach gab es einige TV-Shows in Italien. Seitdem haben sie sich zurückgezogen. «Wir singen nur noch», sagen sie. Die Veranstalter wollten die Schwestern aber auch immer tanzen sehen. «Das machen wir nicht mehr.» Irgendwann sei es genug.

Internationale Karriere

Die Zwillinge haben ohnehin so viel erlebt, dass sie ganz gelassen einen Gang runterschalten können. Ob in New York, Las Vegas, Sydney, Hongkong, Monte Carlo oder Rom: Alice und Ellen Kessler haben überall für Furore gesorgt.

«Wir hatten ein sehr abwechslungsreiches Leben, das Schicksal hat es gut mit uns gemeint», sagen sie fröhlich im Telefongespräch. «Wir leben aber nicht in der Vergangenheit.» Manchmal ist nicht ganz klar, welche der beiden Schwestern gerade spricht. Dann klären sie auf: «Das war jetzt die Ellen, aber die Alice ist der gleichen Meinung.» Praktisch.

Auch wenn die Zwillinge nicht in Erinnerungen schwelgen - sie werden natürlich danach gefragt. «Die Leute sprechen uns darauf an und dann erzählen wir.» Und schon sind sie mittendrin in den Erinnerungen und berichten, wie die Karriere - völlig ungeplant - ihren Anfang nahm. Sie seien als Teenager entdeckt worden, der Rest habe sich ergeben.

Schon als kleine Mädchen lernten sie das Tanzen, wurden vom Vater gedrillt. Bald gehörten sie zum Kinderballett der Leipziger Oper und schafften die Aufnahme für die Operntanzschule. 1952, im Alter von 16 Jahren, flohen sie in den Westen und kamen nach Düsseldorf. Um selbstständig und finanziell unabhängig zu sein, tanzten sie in einem Revuetheater.

Engagement im Pariser Lido

Dort wurde 1955 der Direktor des Lido in Paris auf die blonden jungen Frauen aufmerksam. Er engagierte sie für das berühmte Varieté auf den Champs-Élysées - die internationale Karriere nahm ihren Lauf. «Das hatte uns keiner zugetraut, das wir als Deutsche das schaffen würden.» Anfangs hätten sie immer mal Nazi-Sprüche zu hören bekommen, erinnern sie sich. Ihre Reaktion? «Einfach lächeln und das übergehen. Wir wollten zeigen, dass die Deutschen keine Monster sind.»

Seit den 60er Jahren waren die Kesslers weltweit auf Tournee. In Rom, wo die Kesslers jahrzehntelang eine Wohnung hatten, waren die schlanken, langbeinigen Tänzerinnen bald genauso gefragt wie in New York und Las Vegas. Mit Italien verbindet sie eine besondere Liebe. «Da waren wir bekannt wie zwei bunte Hunde.» Die Italiener seien ihnen gegenüber immer sehr überschwänglich gewesen.

In den USA traten sie mit Fred Astaire, Frank Sinatra und Harry Belafonte auf, trafen Muhammad Ali, Sammy Davis Jr. und die Jackson Five. Die Stars seien immer sehr freundlich und kollegial ihnen gegenüber gewesen. Die Kesslers hatten auch das Angebot, mit Elvis Presley in einem Film aufzutreten. Doch das sagten sie ab - aus Angst, auch in Amerika auf Musikfilme festgelegt zu sein. Getroffen haben sie Presley dennoch, im Lido in Paris. Er habe einen sehr komplizierten Eindruck gemacht.

Die Schwestern freuen sich, dass sie so viel erlebt haben und sind froh, in den 50er und 60er Jahren ihre Karriere begonnen zu haben und nicht heute. Diese Schnelllebigkeit, die vielen TV-Sender - eine Karriere wie ihre wäre heute gar nicht mehr möglich.

Helene Fischer ist toll

«Wir hatten bei TV-Shows manchmal mehr als 20 Millionen Zuschauer.» Welche aktuellen Künstler sie gut finden? «Helene Fischer. Sie ist enorm. Ihre Stimme, und sie kann sich gut bewegen und ist bildschön.»

Dass die Schwestern ihr Leben lang im Doppelpack unterwegs waren, habe sie nie gestört. Im Gegenteil: «Zusammen ist man stärker», sagt Alice. «Mit #Metoo hatten wir keine Probleme, weil wir zu zweit waren», ergänzt Ellen.

Bis heute verbringen sie ihre Zeit gemeinsam. Seit 1986 leben die Schwestern, die beide nie geheiratet haben, in einem Haus im Münchner Promi-Vorort Grünwald. Jede hat dort ihren eigenen Bereich, durch eine Schiebetür getrennt. Fit halten sie sich mit Gymnastik: Eine Schwester kocht, die andere macht derweil ihre Übungen und am nächsten Tag wechseln sie sich ab. Ansonsten wird ihnen nicht langweilig, wie sie sagen: Post erledigen, sich um Reparaturen am Haus kümmern, einkaufen gehen. Das ganz normale Leben.

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