Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte hat noch einen weiten Weg vor sich. Einen Schritt hat nun Baden-Württemberg in Namibia getan. Doch nicht alle in dem afrikanischen Land sind über die Umstände glücklich.
Namibias Staatschef Hage Geingob bei der Übergabe der zu Kolonialzeiten geraubten Kulturgüter. Foto: Frank Steffen/Allgemeine Zeitung Namibia
Namibias Staatschef Hage Geingob bei der Übergabe der zu Kolonialzeiten geraubten Kulturgüter. Foto: Frank Steffen/Allgemeine Zeitung Namibia - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Aufarbeitung einer schmerzhaften Vergangenheit: Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) hat eine Peitsche und eine Bibel an Namibia zurückgegeben.

Beide waren zu Kolonialzeiten geraubt worden.

«Wir können Geschichte nicht ungeschehen machen, aber wir stellen uns unserer Verantwortung», teilte die Politikerin am Donnerstag in Gibeon im Süden Namibias mit. Sie sei zutiefst berührt zu sehen, was für eine Bedeutung die beiden Kulturgüter für die Menschen Namibias hätten. «Und ich entschuldige mich von Herzen dafür, dass sie ihnen so lange vorenthalten wurden.»

Die beiden Gegenstände gehörten Hendrik Witbooi, einem Anführer des Volkes der Nama, dessen Mitglieder vor mehr als 100 Jahren zu Tausenden von Truppen der deutschen Kolonialmacht getötet wurden. Heute wird Witbooi in dem Land im Südwesten Afrikas als Nationalheld verehrt. Die Gegenstände lagerten bislang im Linden-Museum in Stuttgart. Namibias Staatschef Hage Geingob nahm Bibel und Peitsche bei einer feierlichen Zeremonie entgegen, wie das Ministerium mitteilte. Rund 3000 Menschen waren anwesend, darunter Namibias Bildungsministerin Katrina Hanse-Himarwa, Gründungspräsident Sam Nujoma sowie Nachfahren von Witbooi.

Weite Gebiete des heutigen Namibias waren von 1884 bis 1915 unter der Herrschaft des deutschen Kaiserreichs. Die Kolonialherren schlugen Aufstände der Volksgruppen der Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika brutal nieder. Deutsche Truppen töteten Historikern zufolge etwa 65.000 der 80.000 Herero und mindestens 10.000 der 20.000 Nama. Historiker sehen darin den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts - auch die Bundesregierung spricht inzwischen von einem «Völkermord». Bibel und Peitsche wurden wohl 1893 geraubt und gelangten 1902 als Schenkung ins Linden-Museum.

Die Rückgabe der «Kulturgüter von nationaler Bedeutung» sei ein «besonderer und bewegender, ein historischer Moment», sagte Bauer. Die junge Generation in Afrika wolle sich mit ihrer Geschichte beschäftigen «und hat ein Recht auf ihre nationalen Kulturgüter». Die Ministerin plädierte auch dafür, das Thema Kolonialismus in den Schulunterricht aufzunehmen.

Bibel und Peitsche sollen vom namibischen Staat verwaltet werden, bis Witboois Nachkommen in seinem Heimatort Gibeon ein Museum dafür errichten könnten. Allerdings wollte die Vereinigung der Nama-Stammesältesten (NTLA), dass die Gegenstände an Witboois Nachfahren, nicht an die Regierung zurückgegeben werden. «Mit der Übergabe unter diesen Umständen ist dies ein trauriger Tag in der Geschichte der Nama», teilte die Vereinigung mit. Sie beklagt auch, dass die Gegenstände übergeben werden, ohne dass Deutschland zu einer umfassenden Entschädigung für den Genozid an den Nama zur Kolonialzeit bereit sei.

Seit Jahren verhandeln die Regierungen von Deutschland und Namibia über Wiedergutmachung für Gräueltaten der Kolonialzeit. Die seit 2015 andauernden Gespräche scheinen zäh voranzukommen. Schwierig ist dabei vor allem eine Einigung über Zahlungen sowie die Frage, wie Deutschland für das Geschehene um Entschuldigung bitten soll - etwa durch eine Parlamentsresolution oder zusätzlich eine Erklärung der Kanzlerin. Parallel haben Vertreter der Herero und Nama Deutschland in New York auf Schadenersatz verklagt. Sie beklagen unter anderem, dass sie von den Gesprächen der Regierungen ausgeschlossen seien.

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