Gerade aus einem Sprachaufenthalt in Taiwan zurückgekehrt, spricht die junge glp-Politikerin Corina Liebi über ihre Stadtratskandidatur und pragmatische Politik.
Corina Liebi, Uetendorf
Corina Liebi. - nau.ch
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Nau.ch: Du bist in Uetendorf aufgewachsen, wohnst jetzt unter der Woche aber in Bern. Welchen Bezug hast du noch zur Region?

Corina Liebi: Ich fühle mich Uetendorf und der Region Thun immer noch sehr verbunden. Ich war in Thun bei den Kadetten und habe darum auch einen starken Bezug zur Stadt. Meine Familie wohnt noch in Uetendorf und ich bin jeweils gerne am Wochenende bei ihnen.

Nau.ch: Wie hat die ländliche Region dich politisch beeinflusst?

Ich glaube, ich habe eine andere Perspektive auf die Politik, dadurch, dass ich in eher ländlichem Rahmen aufgewachsen bin. Das gesellschaftliche Zusammenleben in Uetendorf und der Region ist um einiges familiärer als in der Stadt. Ich schätze es sehr, mich mit meinen Mitmenschen auszutauschen und direkt von ihnen zu erfahren, wo der Schuh drückt und sie politischen Handlungsbedarf sehen.

Nau.ch: Wie bist du zur Politik gekommen?

Ich habe eine Lehre auf einer Gemeindeverwaltung in der Region abgeschlossen und kam dadurch mit Politik in Kontakt. Nach meinem Lehrabschluss arbeitete ich bei der Erziehungsdirektion des Kantons Bern und war dort unter anderem an der Aufarbeitung von Regierungs- und Grossratsgeschäften beteiligt, was ich sehr spannend fand.

Als ich dann nach der Passerelle mein Studium begann, wurde ich im Studierendenrat der SUB aktiv. Das war für mich der perfekte Ort, um im kleinen Rahmen zu lernen, wie Politik funktioniert.

Nau.ch: Warum hast du dich für die glp entschieden?

Ich trat lange keiner Partei bei. Im Studierendenrat war ich zuerst beim Sozialdemokratischen Forum und habe dann zur glp gewechselt. Am Anfang wollte ich mich noch keiner Partei anschliessen, sondern erst ein paar Eindrücke und Erfahrungen sammeln und meinen eigenen Weg finden.

Bei der Abstimmung zur Energiestrategie 2050 habe ich mich dann entschieden, politisch aktiv zu werden. Ich habe mir dann nochmals alle Parteien genauer angesehen und gemerkt, dass die glp mich und meine Positionen am besten vertritt, weil sie mit pragmatischen und innovativen Lösungen auftrumpft.

Nau.ch: Du kandidierst für den Berner Stadt- und Gemeinderat. Was ist deine Motivation?

Im Stadtratswahlkampf bin ich sehr ambitioniert, dass ich einen Sitz bekomme. Ich bin der Meinung, dass auch wir Jungen eine Stimme brauchen. Gerade was das Nachtleben betrifft, wird häufig eine Politik gemacht, die uns Jungen nicht Rechnung trägt.

Auch von meiner Erfahrung her stehe ich anderen Kandidaten in nichts nach. Ich denke, dass ich das genauso gut kann wie alle anderen. Ich möchte als Vorbild vorangehen und andere Junge motivieren, sich politisch zu engagieren.

Ich bin der Meinung, dass sich nur etwas verändert, wenn man aktiv daran mitwirkt, deshalb engagiere ich mich politisch. Mit meiner Kandidatur für den Gemeinderat will ich der progressiven Mitte eine Stimme geben und Brücken schlagen für pragmatische Lösungen.

Nau.ch: Die Themen Umwelt und persönliche Freiheit waren in Zusammenhang mit Corona in letzter Zeit oft im Gespräch. Wie hast du diese Diskussionen erlebt?

Obwohl ich die Beschränkung der persönlichen Freiheit kritisch sehe, war sie notwendig, um eine weitere Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. Ich stehe hinter den vom Bundesrat erlassenen Massnahmen und trage diese politisch mit.

Ich hoffe, die Leute fühlen sich jetzt wachgerüttelt und werden ihre politischen Rechte besser nutzen und abstimmen und wählen gehen.

Im Bereich Umwelt finde ich es schade, dass Fluggesellschaften einfach Gelder gegeben werden, ohne diese an Umweltvorgaben zu knüpfen. Ich finde es wichtig und notwendig, die Wirtschaft zu unterstützen, vor allem auch kleine, lokale und selbständige Betriebe. Doch finde ich, dass man bei Hilfspaketen auch einen Anreiz schaffen sollte, unsere Welt nachhaltiger zu gestalten.

In der letzten Zeit war in den Medien immer wieder von Flugverboten die Rede, doch sehe ich das persönlich als nicht zielführend an. Ich habe nicht das Recht, anderen Menschen zu verbieten, in einen Flieger zu steigen und ihre Familie im Ausland zu besuchen. Wir brauchen pragmatische Ansätze.

Mir ist es wichtig, dass man nur fliegt, wenn es keine andere Option gibt. Dass man also in Europa den Zug nimmt, wenn man kann. Gleichzeitig finde ich es aber auch in Ordnung, sich bewusst für einen Flug zu entscheiden, wenn eine Reise auf anderem Weg nicht möglich ist. Dann sollte aber auch für alle Emissionen bezahlt werden, und zwar so viel, wie es tatsächlich kostet.

Das ist eine pragmatische Haltung und genau das, was mich an der glp fasziniert. Wir wollen nicht Verbote aussprechen, sondern sinnvolle Lösungen finden, die für viele tragbar sind. Ansonsten fänden wir auch nie eine Mehrheit, diese brauchen wir aber, um konstruktiv vorangehen zu können.

Nau.ch: Was ist dir persönlich wichtig an der Politik?

Für mich ist Politik nicht nur das Ansprechen von populären Themen. Es gibt auch Themen, die einfach mal auf den Tisch müssen. Für mich ist in der Stadt Bern Sexarbeit ein solches Thema. Weder RGM noch Bürgerliche wollen sich daran die Finger verbrennen, das heisst aber nicht, dass sich die bestehenden Probleme in Luft auflösen.

Generell ist mir eine konstruktive und lösungsorientierte Politik wichtig. Es braucht frischen Wind und innovative Ideen, damit wir als Schweiz gemeinsam weiterkommen.

Nau.ch: Du warst gerade für vier Monate in Taiwan. Welche Erfahrungen konntest du dort sammeln?

Ich finde es immer sehr spannend, ins Ausland zu gehen und auch zu sehen, wie die Politik in anderen Ländern funktioniert. Oft sehe ich auch Dinge, die mich inspirieren und die ich für meine eigene politische Arbeit aufnehmen kann.

In Taiwan habe ich gesehen, dass sehr viele Uber-Eats-Fahrer mit Elektrorollern unterwegs sind. Überall am Strassenrand gibt es Ladestationen, an denen die Rollerbatterien mit Sonnenenergie aufgeladen und ausgetauscht werden können. Gleichzeitig gleichen die Batterien Stromschwankungen im Netz aus und laden dann, wenn es eine Stromüberproduktion gibt.

So sollte es sein, ein ganzer Kreislauf, in dem alles zusammenspielt – eine Entwicklung zur Smart City. Das ist auch mein Traum für Bern.

Zur Person

Corina Liebi ist in Uetendorf aufgewachsen und wohnt jetzt unter der Woche in Bern. Die 25-Jährige engagiert sich für Themen wie Foodwaste, Chancengleichheit und ein attraktives Berner Nachtleben. Sie ist Präsidentin der jglp und Vizepräsidentin der glp des Kantons Bern.

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