Felix Wettstein hat in seiner 1. August Rede 2022 vor der Dornacher Bevölkerung an die Wichtigkeit Sorge zu tragen erinnert. Ein Gastbeitrag.
Felix Wettstein
Felix Wettstein, Nationalrat Grüne Solothurn. - Keystone
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Felix Wettstein hat an der gestrigen 1. August-Feier in Dornach seine Rede zum Thema «Sorg ha» vorgetragen, die wir hier auf Nau.ch Lokal publizieren:

Vor ein paar Tagen konnte man in den elektronischen Zeitungen und am Fernseher Bilder sehen, die mich erschreckt und irritiert haben.

In Bern an der Aare, unterhalb des Marzili-Bades, dort, wo die Fahrt mit dem Gummiboot von Thun bis Bern zu Ende geht, lag ein riesiger Haufen Gummiboote quer übereinander.

«Aareböötler» hinterlassen Müllhaufen

Einfach liegen lassen, zuerst noch etwas aufschlitzen, damit die Luft entweicht, und dann ab auf den Haufen, die Paddel und die Schwimmwesten gleich hintendrein.

Nach einer einzigen Flussfahrt auf der Aare. Irgendjemand wird es dann schon beseitigen.

In diesen Medienberichten ist der Strassenmeister der Stadt Bern zu Wort gekommen, Andreas Niklaus.

Es sei ja kein neues Phänomen, sagte er, aber in diesem Jahr sei es extrem. Alles am Schluss kaputtmachen und liegen lassen, das sei der Wahnsinn.

Stadt hilft mit grossen Containern und Personal vor Ort

Die Stadt Bern habe darum mehrere grosse Container mit 800 Litern Fassungsvermögen aufgestellt.

Und dennoch lande viel Abfall daneben. Man müsste die Boote eben doch zuerst sorgfältig zusammenlegen, bevor man sie entsorgt.

Darum versucht es die Stadt Bern jetzt mit Personal vor Ort, das den Leuten erklärt und zeigt, wie sie richtig entsorgen sollen. Auch diese Information hinterlässt bei mir einen schalen Beigeschmack.

Die Gemeinde muss ein Wochenende lang Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufbieten, die den Leuten etwas Selbstverständliches beibringen sollen.

Wegwerfmentalität erschreckt

An der Wegwerfmentalität ändert sich aber nichts. Ein solches Gummiboot ist zu billig, man scheut den Transportaufwand, darum kauft man fürs nächste Mal «Aareböötle» ein neues. Und dann entsorgen!

Das Gegenteil dieser Haltung wäre also: «sorgen», Sorge tragen, «Sorg ha». Dieses Thema stelle ich zum heutigen Nationalfeiertag ins Zentrum.

Mich interessiert es, wie wir es hinkriegen, dass «Sorg ha» wieder einen höheren Stellenwert bekommt. Und mich interessiert es, was das mit Heimat zu tun hat.

In unserem Wochenanzeiger bin ich auf eine andere Geschichte gestossen: Ein Interview mit dem SAC-Präsidenten Stefan Goerre.

SAC kämpft mit Folgen des Klimawandels

Der SAC hat zurzeit eine spezielle Sorge. An verschiedenen Orten musste man SAC-Hütten vorsorglich schliessen, weil der Untergrund instabil geworden war.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind für die Berggängerinnen und Berggänger unmittelbar zu erleben.

Der SAC-Zentralverband wurde darum aktiv. Als nationaler Verband will er bereits bis 2030 klimaneutral sein, die 111 Sektionen sollen es bis spätestens 2040 auch werden.

Dazu hat der Verband eine sehr detaillierte Strategie mit konkreten Absenkpfaden erarbeitet.

SAC-Verband will Helikopterflüge reduzieren

Eines der wichtigsten Stichworte heisst: Weniger Helikopterflüge. Das erreicht der Alpenclub nur dann, wenn in den Hütten gewisse Dinge angepasst werden.

Nicht mehr unbeschränkt viel Bier, Cola, Rivella und Mineralwasser aus Flaschen, sondern eben wie früher: Tee, Sirup und Quellwasser.

Einzelne SAC-Sektionen beginnen sogar wieder damit, ihre Hütten mit Maultieren zu versorgen. «Versorgen», da haben wir es wieder.

Tee und Sirup trinken, mit dem Maulesel den Hüttennachschub sicherstellen. Das ist nicht einfach Romantik und Nostalgie, das ist gelebter Ausdruck von «Sorg ha».

Auch als Gemeinschaft Sorge tragen

Ich bin überzeugt, dass wir in unserem Alltag viele derartiger Gelegenheiten haben, wie wir mehr Sorge an den Tag legen können.

Zunächst denken wir ja in aller Regel, dass es eine Aufgabe oder ein Anspruch an jede Einzelne, jeden Einzelnen von uns ist, dass wir uns kümmern und dass wir den Dingen Sorge tragen.

Das ist sicher richtig. Aber es kann nicht nur den Einzelpersonen angehängt werden. Wir müssen auch als Gemeinde, als Region, als Nation, als Weltgemeinschaft «Sorg ha».

Dafür müssen wir die richtigen gesetzlichen Grundlagen schaffen und gemeinsame Abkommen beschliessen, dafür müssen wir Geld und Wissen einsetzen.

Klar fällt es uns am einfachsten, Sorge für jene Dinge aufzubringen, die uns am nächsten sind: So wie die eigene Familie, das eigene Haus, das eigene Quartier oder die eigene Gemeinde.

Über Kantonsgrenzen hinaus Sorge tragen

Aber gerade hier in Dornach ist es ja offensichtlich, dass wir unser «Sorg ha» auch auf Arlesheim, auf Reinach oder Aesch ausweiten sollen, so eng verflochten, wie wir sind.

Dies selbst wenn eine Kantonsgrenze dazwischen liegt. Wenn wir auf diese Art wahrnehmen, was unsere Sorge verdient, dann nehmen wir Heimat wahr.

Und wenn wir nicht nur zu den Dingen Sorge tragen, zur Umwelt, zum Wasser, zum knappen Boden, zur Luft, zu den Lebensmitteln, zu den Gummibooten.

Sondern wenn wir auch und am allermeisten zu den Menschen «Sorg händ», dann erleben wir den eigentlichen Sinn des 1. August.

Zur Person

Felix Wettstein ist Nationalrat und Mitglied der Grünen Solothurn.

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