Vor genau 50 Jahren hat die römisch-katholische Landeskirche ihre Tätigkeit aufgenommen, wenige Wochen, nachdem dies die evangelisch-reformierte Kantonalkirche getan hatte. Bei den Katholiken wie den Protestanten war, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, mehr als zehn Jahre zuvor der Wunsch nach einer kantonalen Organisation aufgekommen.
Luzern Landeskriche
Die neugestaltete Peterskapelle, fotografiert am Freitag, 7. Dezember 2018, in Luzern - Keystone

Am 13. März 1970 führte das Parlament der katholischen Kirche, die Synode, ihre konstituierende Sitzung durch. Die Kirche nahm damit als Landeskirche ihre Tätigkeit auf. Bereits am 22. Januar hatte sich die evangelisch-reformierte Kantonalkirche konstituiert.

Mit diesen Schritten erhielten die Angehörigen der zwei grössten Glaubensgemeinschaften des Kantons je eine eigene Exekutive, ein Parlament und eine Verwaltung. Mit der öffentlich-rechtlichen Anerkennung bleiben die Kirchen vom Staat getrennt, dieser garantiert aber etwa für Religionsfreiheit und staatsbürgerliche Rechte. Ferner dürfen die Landeskirchen bei ihren Mitgliedern eine Steuer erheben.

Bis die katholische und reformierte Kantonalkirchen geschaffen werden konnten, dauerte es mehr als ein Jahrzehnt. 1958 hiessen die Stimmberechtigten eine Revision der Kantonsverfassung gut, die kantonale Kirchenverfassungen überhaupt erst ermöglichte. Das entsprechende Gesetz trat 1965 in Kraft.

Das «Gesetz über die Kirchenverfassung», das auch für die dritte Luzerner Landeskirche gilt, die christkatholische, war ein Werk der «ökumenischen Verständigung», wie Alois Häfliger in seiner Festschrift zum 25-Jahre-Jubiläum der katholischen Landeskirche 1995 schrieb. Prägende Figuren waren der katholische Kantonsparlamentarier Fritz Steiner, der reformierte Richter Kurt Sidler und der christkatholische Regierungsrat Werner Kurzmeyer.

Tatsächlich haben die Konfessionen eine andere Geschichte, aber auch ein unterschiedliches Verständnis davon, was Kirche überhaupt sei. Der Erlass des Gesetzes habe den Kanton vor Probleme gestellt, weil das kirchenrechtliche System in Luzern bis dahin ausschliesslich vom römisch-katholischen Kirchenbegriff geprägt gewesen sei, schreibt Synodalrat Florian Fischer in einem geschichtlichen Abriss der reformierten Landeskirche.

Bei den Protestanten fehlt die hierarchische Struktur der römisch-katholischen Kirche mit ihrem eigenen Kirchenrecht. Kirche sei bei den Reformierten, wo sich Menschen «im Namen des Herrn» versammeln, schreibt Fischer. Dieser Kirchenbegriff schliesse kirchliche und organisatorische Angelegenheiten ein.

Die Luzerner Reformierten mussten die innerkirchlichen Belange somit abschliessend selbst in ihrer Verfassung regeln. Ihre Synode habe neben einer organisatorischen auch eine geistliche Verantwortung, schreibt Fischer.

In der katholischen Kirche sind dagegen Rom und das Bistum für die kirchenrechtlichen Belange zuständig, die Kirchgemeinden haben in diesem Gefüge eher eine Hilfsfunktion. Die katholische Verfassung sei als Organisationsstatut ausgestaltet, das nicht in die kirchliche Struktur (Pfarrei, Bistum) eingebunden sei, schreibt Häfliger. Die Aufgaben der katholischen und der reformierten Landeskirchen seien somit nicht deckungsgleich.

Doch auch die Motivation, eine kantonale Kirche mit eigener Verfassung zu schaffen, war bei Katholiken und Protestanten nicht die gleiche. Die katholische als einstige Luzerner Staatskirche suchte nach einer zeitgemässen Verfassung, während die reformierten Kirchgemeinden erst zu einem kantonalen Selbstverständnis kamen.

Häfliger berichtet von zahlreichen Hindernissen und Hemmnissen, die auf katholischer Seite auf dem Weg zu einer modernen Kirchenorganisation gemeistert werden mussten. Einen bedeutenden Einfluss hatte demnach das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), durch das die Gläubigen eine aktivere Rolle erhielten. Häfliger weist darauf hin, dass im Kanton Luzern im selben Jahrzehnt das «katholische Milieu mit seiner hergebrachten Abwehr- und Ghettohaltung» untergegangen sei.

Dass nach einer neuen Organisation für die katholische Kirche gesucht wurde, hatte aber auch praktische Gründe. Es zeichnete sich ein Priestermangel ab, der einen vermehrten Einsatz von Laien nötig machte. Dieser stellte aber auch alte Strukturen in Frage.

Ein Motor zur Schaffung einer katholischen Landeskirche war das Geld. Die Kirche war seit 1842 in Kirchgemeinden organisiert, die öffentlich-rechtliche Körperschaften waren und neben den Einwohner-, Bürger- und Korporationsgemeinden bestanden. Das Problem war, dass es reichere und ärmere Kirchgemeinden gab, aber keinen Finanzausgleich.

Auch die protestantischen Gemeinschaften erhielten nach und nach den Status einer öffentlich-rechtlicher Anerkennung. 1826 erlaubte die Obrigkeit den in der Stadt ansässigen 150 Protestanten, regelmässig Gottesdienste abzuhalten. 1853 anerkannte der Kanton diese Gemeinschaft als erste evangelisch-reformierte Kirchgemeinde. 1861 wurde mit der Matthäuskirche das erste reformierte Gotteshaus eröffnet.

Auf der Landschaft organisierten die Reformierten sich in Protestantenvereinigungen, die finanziell von den reformierten Kantonen abhängig blieben. Erst 1926 wurde der Kanton flächendeckend in öffentlich-rechtlich anerkannte protestantische Kirchgemeinden aufgeteilt.

In den 1940er-Jahren kam bei den Reformierten der Wunsch nach einer kantonalen Körperschaft auf. Dabei ging es vor allem um die Zusammenarbeit zwischen den Kirchgemeinden. Bei der Kantonsregierung stiess das Anliegen aber auf Ablehnung. Dies änderte sich erst, als 1955 auch die Katholiken an den Kanton gelangten mit der Bitte, Grundlagen für ein kantonale Körperschaft zu schaffen.

Älter als die beiden grossen Landeskirchen ist die Christkatholische. Diese wurde 1932 durch ein regierungsrätliches Dekret anerkannt. Als kleine Religionsgemeinschaft verzichtete sie vor 50 Jahren auf die Schaffung einer eigenen Kirchenverfassung.

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