CVP-Politikerin Christina Bachmann-Roth aus Lenzburg schreibt in ihrem Gastbeitrag über den Stand der Frauen in der Wirtschaft.
Christina Bachmann-Roth
Christina Bachmann-Roth beim Getrud-Villiger-Platz in Lenzburg. - z.V.g.
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Als Frau in der Wirtschaft komme ich mir heute noch oft vor wie ein Velofahrer im Strassenverkehr oder eine Fussgängerin in der Begegnungszone. Es passt nicht so richtig. Strassen sind für Autos gebaut, nicht für Velos und nicht für Fussgänger, und so sehr wir uns bemühen, wir passen nicht ganz rein. Wir müssen unsere eigenen Strassen bauen, ein System, das auch zu uns passt.

Auf diesem Platz holt dich der Tod

Wer kennt den Getrud-Villiger-Platz in Lenzburg? Keiner. Er ist auch kaum der Rede wert. Er liegt neben einer Baulücke am Nordeingang zur Altstadt. Die Lenzburger/innen nennen ihn «Rostkreisel», wegen des rostigen Kunstwerks in der Mitte. Der Rostkreisel ist gar kein Kreisel, sondern sollte eine «Begegnungszone» mit Rechts- und Fussgängervortritt sein. Nur versteht das keiner.

Die Autos fahren zu schnell durch, drehen einen Kreis oder halten verwirrt an, wenn die anderen es nicht tun. Wenn ich mit den Kindern am Strassenrand stehe, denken die Autofahrer nicht mal daran, uns durchzulassen, sondern winken uns nett zu – und fahren weiter.

Rostkreisel Lenzburg
Der «Rostkreisel» in Lenzburg. - z.V.g.

Nichts an diesem Platz passt so richtig. Er wurde zwar fortschrittlich nach einer Frau benannt. Nach Gertrud Villiger, eine Lenzburger Pionierin der Frauenbewegung, die von 1888 bis 1908 den damals einflussreichsten Frauendachverband der Schweiz SGF führte. Doch diese Begegnungszone gehört immer noch den Autos. Und das gilt für alle Strassen.

Seit einigen Jahren wird zwar versucht, Velos und Fussgänger zu integrieren. Daraus entstehen solch abstruse Formen wie diese Begegnungszonen, Radstreifen, die plötzlich enden oder unübersichtliche Fussgänger- und Velobeschriftungen auf dem Boden.

Als Frau im männlichen System

Wir Frauen leben und arbeiten in einem Wirtschaftssystem, das nicht für uns gemacht ist. Frau ist geduldet, wird gefördert und ermutigt – da Frau ja harmlos ist. Frau hat zwar eine top Ausbildung, einen guten Leistungsausweis, aber auf der Geschäftsleitungsebene ist sie nach wie vor kaum anzutreffen (9% der CEOs und 3% der VR-Präsidenten in der Schweiz sind Frauen Quelle: Schilling Report, 2018) – dafür umso mehr auf dem Spielplatz.

Christina Bachmann-Roth
«Unsere Strukturen in der Schweiz sind nach wie vor von und für Männer gedacht und gebaut», sagt Christina Bachmann-Roth. - z.V.g.

Unsere Strukturen in der Schweiz sind nach wie vor von und für Männer gedacht und gebaut. Männer sind privilegiert. Tagesstrukturen sind so teuer, dass es sich oft nicht lohnt, dass Frau und Mann arbeiten gehen. Die Frau gibt nach. Da Frauen nach wie vor den tieferen Lohn für die gleiche Arbeit haben und nach der Geburt der Kinder auf sich alleine gestellt sind. Das Restat Frauen verrichten 53 Stunden gratis Familienarbeit pro Woche, während der Mann derer 29 leistet (Quelle: BFS Statistischer Bericht 2017, Familien in der Schweiz, 2017).

Frauen reduzieren ihr Arbeitspensum massiv, während Männer höchstens einen Papitag haben. Für den Mann ist es in der Regel selbstverständlich, dass er Familie und Beruf verbinden kann. Für die Frau ist dies ein täglicher Kraftakt.

Pass dich an oder ändere das System

Wir Frauen überlegen uns darum früh, mit welcher Strategie wir sicher durchs Leben manövrieren. Wir wählen einen Beruf, den wir mit der Familienarbeit verbinden können, wir erkämpfen uns eine Karriere und werden dafür mit dem Prädikat «Mannsweib» belohnt oder wir passen uns an und suchen und finden das Glück in der traditionellen Rolle.

Christina Bachmann-Roth
Christina Bachmann-Roth geniesst die Zeit mit ihren Kindern. - z.V.g.

Ich finde, es braucht eine andere Strategie: Wir Frauen sollen am System teilnehmen, um es umzubauen und frauentauglich zu machen. Dazu braucht es:

1. Frauen, die bereit sind, anzupacken und ihren Teil zum Familieneinkommen verbindlich beizutragen.

2. Frauen, die ihren Kompetenzvorsprung in der Kinderbetreuung nach der Geburt an ihren Partner abgeben.

3. Paare, die auf Augenhöhe verhandeln, wer wie viel Anteil an der Kinderbetreuung übernimmt.

4. Die Abschaffung des Koordinationsabzugs bei Teilzeitpensen bei der Pensionskasse.

5. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, kontrolliert durch Lohnanalysen in Firmen ab 50 Mitarbeitenden.

6. Anspruch auf Teilzeitarbeit bei Elternschaft auf allen Karrierestufen.

7. Gesetzlich verankerte Elternzeit auch für Väter (mindestens einen Monat).

8. Familienergänzende bezahlbare Tagesbetreuungsstrukturen wie Tagesschulen.

Diese Systemänderung bewirken wir nicht durch ausgeklügelte Geschlechtertheorien oder feministische Modelle, sondern durch Engagement in Politik, Wirtschaft und in der Familie. Und wir schaffen es nur gemeinsam mit den Männern, nicht in einem Kampf gegen sie.

Darum fordere ich uns Frauen dazu auf: Lasst uns Strassen und Plätze bauen, die zu uns passen. Jetzt. Alle.

Christina Bachmann-Roth
Unternehmerin, Mutter und CVP-Politikerin Christina Bachmann-Roth (36). - z.V.g.

Zur Person

Mit ihrem Slogan «Bald kommen meine Tage» hat die Unternehmerin, Mutter und CVP-Politikerin Christina Bachmann-Roth (36) bei den Nationalratswahlen für Aufsehen gesorgt. Noch ist der Lenzburgerin der Sprung nach Bern nicht geglückt, in drei Jahren soll es klappen. Zunächst stehen im kommenden Herbst aber die Grossratswahlen an, an der sie für die CVP Lenzburg an den Start geht.

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