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Bassersdorf: «Bligg soll beim Dorfplatz auftreten»

Tanja Altenburger
Tanja Altenburger

Kloten,

Michael Tjalma ist seit rund acht Jahren IV-Rentner. Mit einem Projekt will er in Bassersdorf die Corona-Negativität in etwas Positives umwandeln.

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Michael Tjalma aus Bassersdorf hat eine grosse Corona-Vision. - Nau.ch/TanjaAltenburger

IV-Rentner im Midlife-Crisis-Alter, homosexuell, in einer eingetragenen Partnerschaft und mit pinkem Rollstuhl unterwegs – so beschreibt sich Michael Tjalma auf seinem Blog «ivundso».

Wiedererkennungswert hat er durch Letzteres in Bassersdorf auf jeden Fall.

Vor rund acht Jahren hat sich sein Leben von heute auf morgen verändert.

Starke Gleichgewichtsstörungen und andere Symptome brachten ihn zum Arzt, die Diagnose folgte erst etliche Untersuchungen später.

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Auf seinem Instagram-Account nimmt Michael Tjalma Interessierte mit in seinen Alltag. - Instagram/michiwillrein

Der studierte Übersetzer leidet an einer sehr seltenen Immunkrankheit.

«Ich war weltweit etwa der 50. Patienten, bei dem diese Krankheit diagnostiziert wurde.» Auf die Diagnose kamen die Ärzte lediglich mittels zahlreichen Ausschlussverfahren. Im Grunde genommen ist er kerngesund.

Scheinbar unerreichbares Ziel

Weder von seiner Krankheit noch von der aktuellen Situation rund um das Coronavirus will sich Michael Tjalma unterkriegen lassen.

«Im Umfeld wird viel negative Energie ausgestrahlt, ich möchte diese jetzt in etwas Positives umwandeln. Das ist mein Ansporn.»

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Der IV-Rentner leidet an einer seltenen Krankheit. - Instagram/michiwillrein

Dafür hat sich der IV-Rentner ein scheinbar unerreichbares Ziel gesetzt: «Bligg soll beim Dorfplatz in Bassersdorf auftreten.» Wenn das Ziel unerreichbar scheint, würde man die einzelnen Schritte bis dorthin viel eher wahrnehmen.

Wohlbemerkt könne das auch ein fünfminütiges Privatkonzert bei ihm auf der Veranda sein. «Es soll den Leuten zeigen, dass wenn sich jemand wie ich so ein grosses Ziel steckt und dieses auch erreichen kann, dann können andere das auch.»

Ein Masterplan, wie er dabei vorgeht, hat Michael Tjalma nicht. «Weg zum grossen Ziel sind die einzelnen Schritte.»

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Der Bassersdorfer möchte für seine Aktion unter anderem auch Kontakte mit dem lokalen Gewerbe knüpfen. - Nau.ch/TanjaAltenburger

Hätten sich die Wege des vor Kurzem noch in Bassersdorf wohnhaften Musiker und dem IV-Rentner beim Einkaufen gekreuzt, hätte er nicht lange gezögert. «Ich hätte ihn stinkfrech angesprochen und um dieses Ständchen gebeten.»

Nun müssen andere Wege und Mittel gefunden werden.

Als Erstes will der Frührentner sein Vorhaben öffentlich machen und sich so viel Unterstützung dafür holen, wie nur möglich. «Als Gemeinschaft sind wir stärker und sehen danach weiter.»

Neuer Instagram-Account

Auf Unterstützung ist Michael Tjalma auch bei einem anderen Projekt angewiesen, das er kürzlich zur Unterstützung seines grossen Vorhabens gestartet hat.

Seit rund fünf Wochen betreibt er den Instagram-Account «michiwillrein».

Dort nimmt er Interessierte mit durch sein Leben im Rollstuhl, mit allen Hürden. «Die meisten haben keine Ahnung, was das Leben eines IV-Rentners alles so mit sich bringt.»

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Die Anwohner in Bassersdorf unterstützen Michael Tjalma in seinem Alltag. - Instagram/michiwillrein

Gleich drei dieser Hürden findet Michael Tjalma im eigenen Wohnblock. Durch die Bauweise der Türen, die er auf dem Weg passieren muss, ist es für den Rollstuhlgänger so gut wie unmöglich, seine Wohnung allein zu betreten oder wieder zu verlassen.

Die anderen Anwohner sowie der Vermieter unterstützen das Vorhaben, die Kosten müsste Michael Tjalma aber selbst übernehmen. Er rechnet mit rund 20'000 Franken. «Das kann sich nicht jeder so schnell aus dem Ärmel schütteln.»

Nachdem die IV seinen Antrag aufgrund der «archaischen» Gesetzeslage abgelehnt hat, setzt er nun auf Eigeninitiative und hat einen Aufruf gestartet. «Ich würde mich über jeden Betrag freuen, der dadurch zusammenkommt.»

Auch bei der IV bleibt er weiter am Ball und hofft, dass sich dort noch etwas tun wird.

Nicht nur er würde von den neuen Türen profitieren. Eine Nachbarin im selben Gebäude leidet ebenfalls unter einer Gehbehinderung und ist mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert.

Auch für Kinderwägen oder nach einem Einkauf mit schweren Taschen würden die Automatiktüren den Zugang erleichtern.

Mit dem Rollstuhl durch Bassersdorf

Wie rollstuhlfreundlich ist die Schweiz denn überhaupt? «Ich würde es Learning-by-Doing nennen», gibt Michael Tjalma an.

«Fussgängerstreifen sind beispielsweise besser für sehbehinderte Menschen ausgerichtet.»

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Wenn Michael Tjalma sein Ziel erreichen kann, sollen andere auch an ihre Visionen glauben. - Nau.ch/TanjaAltenburger

Dies, weil sie mit einer kleinen Schwelle zum Trottoir verbunden sind. «Da merkt man natürlich, wo die Strasse aufhört. Für uns Rollstuhlgänger können diese Schwellen aber Probleme bereiten.»

Generell soll man keine Angst haben, um Hilfe zu bitten. Auch wenn das nicht immer leichtfällt.

«Natürlich habe ich auch meine Tiefschläge. Den Humor sollte man aber nie verlieren. Lachen ist gesund, auch wenn man es unter einer Maske verbergen muss. Lachen heisst heute, mit den Augen zu strahlen.»

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