Wie die Universität Freiburg mitteilt, erforschten Guilherme Hermanson und sein Team in einer neuen Studie die Umwelteinflüsse auf Schildkrötenschädel.
Schildkröte
Zwei Schildkröten liegen in der Sonne. (Symbolbild) - AFP/Archiv

Der Schädel ist ein wichtiger Körperteil der Tiere, da er unmittelbar mit der Umgebung interagiert, etwa bei der Nahrungsaufnahme und -bearbeitung.

Für Schildkröten gilt das womöglich umso mehr, da sie ihre Nahrung nicht mit ihren Vordergliedmassen sammeln und bearbeiten.

«In den Studien zur Evolution werden Schildkröten manchmal einfach übergangen. Das liegt zum Teil an ihrem eigenartigen Körper, der grösstenteils von einem Panzer umgeben ist.

Doch genau das macht sie aus evolutionärer Sicht so interessant», erklärt Senior Researcher Serjoscha Evers.

Verschiedene Lebensräume im Laufe von 230 Millionen Jahren

Schildkröten können darüber Aufschluss geben, wie sich die Evolution auf die Körperform auswirkt. Heute bewohnen sie verschiedenste Lebensräume.

Fossilien belegen, dass die Schildkröten im Laufe von etwa 230 Millionen Jahren Evolutionsgeschichte verschiedene Lebensräume im Wasser und an Land erobert haben.

Dieser wiederholte Umgebungswechsel bietet eine ausgezeichnete Möglichkeit, zu untersuchen, wie sich dieser auf die Anpassung der Schädel ausgewirkt hat.

Moderne 3D-Analyse

Das Team verfolgt einen State-of-the-Art-Ansatz, bei dem dreidimensionale Schädelmodelle lebender und ausgestorbener Schildkröten mit statistischen Modellen kombiniert werden, die einen Zusammenhang zwischen Schädelform und Ökologie herstellen.

«Das ist die erste Studie, die Schildkrötenschädel in 3D mit hochkomplexen statistischen Werkzeugen kombiniert.

Wir konnten nachweisen, dass selbst wenig artenreiche Gruppen wie Schildkröten als Modelle herangezogen werden können, um Konzepte der Evolution wie etwa die Anpassung zu verstehen», erläutert Guilherme Hermanson.

Die Schädelform wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Es hat sich herausgestellt, dass sich eng verwandte Schildkröten in ihrer Form im Schnitt ähnlicher sind als weiter entfernt verwandte Arten.

Starker Einfluss von Nahrung und Art der Nahrungsaufnahme

Ökologische Anpassungen können dieses Grundmuster allerdings überlagern und die Schädelform weiter verändern.

Aus der Studie geht hervor, dass die Nahrung und die Art der Nahrungsaufnahme einen starken Einfluss ausüben.

Zum Beispiel haben Wasserschildkröten einen langen Schädel und nach vorne gerichtete Augen, was ausgesprochen nützlich ist, um die Beute unter Wasser zu jagen.

Schildkröten, die hartschalige Organismen wie Schnecken fressen, haben breite Hornplatten anstelle von Zähnen, um die Schalen aufzubrechen.

Ökologische Faktoren nicht entscheidend

Obwohl diese Faktoren deutlich messbare Auswirkungen auf die Schädelform haben, fand das Team rund um Guilherme Hermanson auch heraus, dass nur etwa ein Viertel der Unterschiede in der Schädelform der Schildkröten mit den Faktoren zu tun haben, die bei der Studie berücksichtigt wurden.

Ein Grossteil des sichtbaren Formunterschieds muss auf nichtadaptive Erklärungen zurückzuführen sein, wie beispielsweise die Verwandtschaftsbeziehungen der Schildkrötenarten.

Die Forschenden nutzten diese Erkenntnisse, um anhand gut erhaltener fossiler Schädel Rückschlüsse auf die Ökologie ausgestorbener Schildkröten zu ziehen.

Die Schädel fossiler Schildkröten deuten darauf hin, dass die Fähigkeit von Schildkröten, ihren Kopf vollständig in den schützenden Panzer zurückzuziehen, sich wahrscheinlich vor etwa 150 Millionen Jahren in der geologischen Ära des mittleren oder späten Jura herausbildete.

Jetzt können Fragen erforscht werden, auf die es noch keine Antwort gab

In diesem Zeitraum wählten die Schildkröten erstmals das Wasser als Lebensraum.

Das Forschungsteam vermutet deshalb, dass die Diversifizierung der Schildkröten in aquatische Lebensräume mit dem Erwerb der Fähigkeit zum Kopfeinziehen zusammenhängt.

Die Schildkröten konnten dadurch neue ökologische Nischen besiedeln, in denen sie die Formenvielfalt annahmen, die wir heute kennen.

Dank der Kombination verschiedener 3D-Modelle mit statistischen Analysen können jetzt Fragen erforscht werden, auf die es vor zehn Jahren noch keine Antwort gab.

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