Der Ausserrhoder Kantonsrat hat am Montag, 9. Mai 2022, die Totalrevision des Volksschulgesetzes beraten und es in erster Lesung verabschiedet.
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Veränderungen in der Gesellschaft stellen auch den Lehrerberuf vor immer wieder neue Herausforderungen. - Pixabay
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Der Ausserrhoder Kantonsrat hat am Montag, 9. Mai 2022, die Totalrevision des Volksschulgesetzes in erster Lesung beraten. Die Altersentlastung für Lehrpersonen führte zu langen und intensiven Diskussionen.

Die Überarbeitung des Volksschulgesetzes aus dem Jahr 2000 ist schon seit Langem pendent. Etliche Teilbereiche sind überholt und werden heute durch eine Vielzahl von Verordnungen geregelt. Das revidierte Volksschulgesetz bringt eine Vereinheitlichung und will Doppelspurigkeiten vermeiden.

Eines der zentralen Themen in der Totalrevision ist die Arbeitszeitentlastung für ältere Lehrkräfte. Lehrpersonen mit einem Pensum von mindestens 70 Prozent sollen nach Vollendung des 57. Altersjahres Anspruch auf eine Reduktion der Netto-Gesamtarbeitszeit im Umfang von 130 Stunden pro Schuljahr haben, sieht der Vorschlag der Regierung vor.

«Wir haben Handlungsbedarf», sagte Bildungsdirektor Alfred Stricker am Montag, 9. Mai 2022, im Rat. Beim Modell der Regierung sei die Umsetzbarkeit gewährleistet im Vergleich mit anderen Varianten. In der Praxis könne in der Schule nicht einfach ein Prozentsatz des Pensums reduziert werden.

Arbeitszeitentlasung ab 55. Altersjahr

«Wir müssen unseren Lehrpersonen Sorge tragen», sagte Susann Metzger von der Kommission Bildung und Kultur (KBK). Die Arbeitszeitentlastung solle für alle Lehrpersonen, unabhängig von ihrem Pensum, ab dem 55. Altersjahr gewährt werden. Es gebe auch Lehrkräfte, die in mehreren Gemeinden arbeiten, so Metzger. Die Mehrkosten würden 0,7 Prozent der Lohnsumme betragen.

Die FDP-Fraktion beantragte, dass der Bezug der Reduktion freiwillig ist. «Es gibt den Lehrpersonen aber trotzdem das Recht, eine Pensumsreduktion zu verlangen», so der Sprecher der FDP. Es brauche keine starre Regelung, sondern ein zukunftsgerechtes und zielführendes Modell. Die finanziellen Konsequenzen sollen in der Besoldungsverordnung geregelt werden.

Die Mitte-EVP-Fraktion war mit den Vorschlägen von Regierung und KBK nicht glücklich. Es brauche eine klare Eintrittsschwelle. Der Artikel müsse überarbeitet werden.

Ein Rückweisungsantrag von Judith Egger (SP, Speicher) wurde mit 17 zu 43 Stimmen abgewiesen. Der Rat folgte stattdessen dem Vorschlag der KBK. Ausserdem wurde der Antrag der FDP mit 39 zu 19 Stimmen gutgeheissen.

Neun Pflichtschuljahre, zwei davon im Kindergarten

Die neun Pflichtschuljahre werden um ein Schuljahr ergänzt. Neu sind zwei Jahre Kindergarten festgelegt. Die Integration des Kindergartens in die Volksschule soll zur Vereinfachung der Strukturen beitragen. Ein Antrag, das Schuleintrittsalter von vier auf fünf Jahre anzuheben, lehnte der Rat mit 15 zu 45 Stimmen ab.

Die KBK wollte den gleichen Kostenteiler sowohl für Massnahmen für Schüler mit besonderen Bedürfnissen wie auch für die Begabtenförderung. Bisher übernahm der Kanton 50 Prozent der Kosten für verstärkte Massnahmen, 75 Prozent bei der Begabtenförderung. Die Kommission wollte für beide Bereiche den Kantonsanteil von 75 Prozent festlegen.

Für kleine und mittlere Gemeinde sei es eine grosse Belastung, wenn es Kinder gebe, die besonderer Massnahmen bedürften, erklärten mehrere Kantonsräte. Es treffe auch die grossen Gemeinden, sagte ein Kantonsrat aus Herisau.

«Da geht es um ganz viel Umverteilung von Geld an den Kanton – konkret um rund drei Millionen Franken pro Jahr», sagte der Bildungsdirektor. Es gebe wegen der Kostenbeteiligung der Gemeinden keine Stigmatisierung der Kinder im Dorf. Es gehe hier nicht ums Kindeswohl, so Stricker. Bei der Talentförderung gehe es um viel weniger Geld.

Der Rat stimmte gegen dem Antrag der KBK mit 46 zu 11 Stimmen deutlich zu. Ausserdem war der Rat einstimmig dafür, dass neben Sport und Kultur auch für Mint-Fächer Talentklassen geführt werden können.

Integration der Schulsozialarbeit in das Volksschulgesetz

Weiter soll nur noch eine Bewilligung für Privatunterricht erteilt werden, wenn eine Lehrperson mit der erforderlichen Berechtigung unterrichtet. Eine blosse Begleitung soll nach Ansicht der KBK nicht mehr ausreichen. In den vergangenen Jahren sei es in der Aufsichtstätigkeit des Kantons nur zu ganz wenigen Beanstandungen gekommen, so Alfred Stricker.

Das Kindeswohl müsse im Vordergrund stehen und die Qualität beim Privatunterricht müsse sichergestellt werden, hiess es. Der Antrag der KBK setzte sich mit 46 zu 15 Stimmen durch.

Schulsozialarbeit soll in das Volksschulgesetz integriert werden. Ebenso sollen die Gemeinden verpflichtet werden, Musikschulen zu führen. Der Regierungsrat hatte im Entwurf eine kann-Formulierung vorgesehen.

In der Schlussabstimmung stimmte der Rat dem Volksschulgesetz in erster Lesung mit 59 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen zu.

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