Das Konjunkturprogramm des neuen US-Präsidenten Joe Biden gibt viel zu diskutieren. Eine hohe Teuerung ist dennoch nicht zu erwarten.
Joe Biden Schusswaffen
US-Präsident Joe Biden kämpft in den USA gegen die Schusswaffengewalt an. - AFP/Archiv

Das gigantische Konjunktur- und Infrastrukturprogramm des neuen US-Präsidenten Joe Biden ist derzeit in aller Munde. Einige befürchten deswegen nun einen starken Anstieg der Inflation. Das wäre eine Bedrohung für Sparer: Eine hohe Inflation verringert den Wert des Geldes - und schmälert das Vermögen.

Experten geben Entwarnung: Die von AWP befragten Ökonomen bezweifeln, dass Amerika wirklich von einem starken und dauerhaften Preisanstieg erfasst wird.

Und dass die Inflation dann auch noch schnell über den grossen Teich schwappt, sei noch unwahrscheinlicher, heisst es.

Die US-Notenbank Fed selber denkt, dass der Inflationsanstieg in der weltgrössten Volkswirtschaft nur temporärer Natur sein wird. David Marmet von der Zürcher und Patrick Häfeli von der St. Galler Kantonalbank teilen diese Einschätzung. Da der US-Arbeitsmarkt nicht ausgetrocknet sei, komme die Lohn-Preis-Spirale als wichtigster Treiber nicht rasch zum Drehen.

Auch Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff sieht in der US-Wirtschaft noch erhebliches Aufholpotenzial, bevor eine Überhitzung drohe. Und laut UBS-Experte Alessandro Bee hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Preise in den USA auch bei starken Wirtschaftsaufschwüngen nur langsam steigen.

Häfeli gibt allerdings noch einen Punkt zu bedenken: Die «gefühlte» Inflation wird steigen. «Jedes Hüsteln der Teuerung wird Schlagzeilen verursachen und der höhere Ölpreis wird noch etwas länger im Portemonnaie spürbar bleiben», sagt Häfeli.

Unter dem Strich dürfte aber der Vorsprung der US-Wirtschaft sowie die Erfolge der dortigen Impfkampagne dazu führen, dass wahrscheinlich erneut die US-Notenbank als erste eine Zinswende einleiten wird - allerdings kaum vor Anfang 2023. Es wird also noch Jahre dauern, bevor auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) an eine Abkehr von den Negativzinsen denken kann.

Denn die wirtschaftliche Erholung in Europa als massgeblicher Faktor für eine Zinswende der Europäischen Zentralbank EZB hinkt jener der USA hinterher. Daher dürfte sich SNB-Chef Thomas Jordan wenig bis gar kein Spielraum für die heimische Geldpolitik eröffnen, wenn die Zinsdifferenz zur Eurozone gewahrt bleiben soll.

In den USA hat sich die Inflation im Februar zuletzt auf 1,7 Prozent beschleunigt. Die US-Notenbank Fed denkt aber noch lange nicht an eine Straffung der Geldpolitik. Damit sich der Arbeitsmarkt erholen kann, soll die Teuerung zeitweise überschiessen.

Dass die US-Notenbank länger auf ihrem Kurs bleiben kann, verdankt sie ihrem neuen Ansatz, der letzten Sommer verabschiedet wurde. Das Fed peilt seither ein «flexibles durchschnittliches Inflationsziel» von 2 Prozent an. Die amerikanischen Währungshüter können die Teuerung also für längere Zeit über der Zielrate von 2 Prozent steigen lassen.

Zuletzt brachte eine Gruppe von Schweizer Ökonomen eine ähnliche Idee ins Spiel. Sie forderten von der SNB-Spitze ein höheres Inflationsziel und mehr Fokus auf den Wechselkurs. So soll die Nationalbank ihre «Inflations-Komfortzone» von 0 bis 2 Prozent durch ein Inflationsziel ersetzen, das bei 2 Prozent zentriert sei. So könnte die SNB wieder handlungsfähiger werden, lautete das Argument.

«Die Welt ist voller Beispiele, die zeigen, dass eine angepeilte Inflation der Notenbanken nicht durch Veränderung der Zielinflation herbeigeredet, respektive erzwungen werden kann», entgegnet ZKB-Ökonom Marmet. Die SNB solle daher ihre Glaubwürdigkeit nicht mit einem Experiment unbekannten Ausgangs auf Spiel setzen, findet er.

Ähnlich argumentiert Martin Neff von Raiffeisen: «Andere Notenbanken wie die Bank of Japan versuchen schon seit längerem, auf diese Art und Weise eine höhere Inflation zu erzielen, allerdings ziemlich erfolglos.» Denn die strukturellen Kräfte, welche die Teuerung dämpften, seien schlicht zu stark. Setze sich die SNB ein solch hohes Inflationsziel, müsse sie auch alles tun, um es zu erreichen. «Sie würde also eher an Flexibilität verlieren», folgert Neff.

Die SNB selbst sieht auch keinen Anlass, ihren Kurs zu ändern. «Wir brauchen höhere Inflationsraten und die Situation muss sich erheblich ändern, bevor die Geldpolitik geändert wird», sagte SNB-Direktor Thomas Jordan Ende März bei der letzten geldpolitischen Lagebeurteilung.

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