Neue Verkehrsverbindungen kurbeln die Wirtschaft im Tessin an und machen den Kanton attraktiver für Arbeitende aus Italien. Laut dem Wirtschafts-Experten Remigio Ratti könnte das Tessin damit bald neben Genf und Basel/Zürich zum dritten Pol der Schweiz werden.

Seitdem mit den Bilateralen Verträgen mit der EU von 2004 die Grenzbarrieren aufgehoben wurden, erlebt das Südtessin einen Boom. Die neue Personenfreizügigkeit macht die Region attraktiv für Unternehmen und Arbeitssuchende aus Italien – 66'000 Menschen überqueren mittlerweile pro Tag für die Arbeit die Grenze.

Neue Verkehrsinfrastrukturen

Dem neuen Verkehrsnetz wird eine neue Verbindung hinzugefügt: Die Linie Bellinzona-Lugano-Mendrisio-Varese. Damit wird eine direkte Verbindung zwischen den italienischen Städten Como und Varese generiert. Ab Juni ist die volle Strecke im Betrieb.

Ein Zug durchfährt die Linie Stabio-Arcisate.
Ein Zug durchfährt die Linie Stabio-Arcisate. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Dank den Tunnel-Projekten am Gotthard und am Ceneri stehen die Zeichen für die wirtschaftliche Zukunft des Tessins gut.
  • Die Mobilität zwischen der Deutschschweiz und Italien wird gesteigert.
  • Durch gutes Tourismus-Marketing könnte der Kanton bald die dritte Wirtschaftsmetropole der Schweiz sein.

Zusätzlich sorgen die neuen Eisenbahn-Tunnel am Gotthard (seit 2016 in Betrieb) und am Ceneri (soll 2020 eröffnet werden) für neue Verkehrsmöglichkeiten. Damit wird die Mobilität der Pendler noch einmal verbessert. Insbesondere vom Tunnel-Projekt Ceneri versprechen sich die Tessiner viel: Durch ihn wird man Lugano von Locarno und Bellinzona in einer Viertelstunde erreichen können – drei wichtige Pfeiler des Kantons fusionieren zu einer Wirtschafts-Metropole.

Schlüsselstelle zwischen Mailand und Zürich

Remigio Ratti, einer der Initiatoren dieses Projekts und ehemaliger Ökonomie-Professor an der Universität Freiburg, spricht gegenüber der «NZZ» in diesem Zusammenhang von einer «Grauzone». Seit dem Zweiten Weltkrieg habe das Tessin für die Deutschschweiz die Rolle einer «Sonnenstube». Feriengäste suchen sich hier eine Gegenwelt zum Norden. Auf der anderen Seite macht es die Schweiz für Italiener attraktiver zum arbeiten.

Das heutige Tessin würde aber beides bieten. «Dass Tessin muss sich touristisch für die Gäste aus dem Norden nicht mehr als Bergkanton verkaufen», so Ratti. Und weiter: «Es ist ein Mix aus urbanen Zentren und der Parklandschaft, das diese umgibt.»

Dritter metropolitanischer Pol der Schweiz

Damit sollen die Tessiner-Städte eine neue Aufwertung erfahren. Das würde sie zur dritten metropolitanischen Kraft der Schweiz katapultieren – neben dem Genferseebogen und dem Raum Zürich/Basel. Laut Ratti sind die Voraussetzungen dafür gut. Bedingung sei nur, dass das Tessin diesen Aufbruch in die «neue Welt» aktiv pflegt und auf Probleme mit Lösungsvorschlägen reagiere. Sonst würde der Kanton in Gefahr geraten, zu einer doppelten Peripherie zu werden.

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