Die bürgerlichen Parteien halten die OECD/G20-Mindeststeuer für unausweichlich. Zähneknirschend stimmen sie den Plänen des Bundesrats zur Einführung bei. Das links-grüne Lager ist euphorischer, kritisiert aber, dass neue Steuerprivilegien die Vorteile gleich wieder aufheben. Zudem zeichnen sich Verteilkämpfe ab.
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Das Logo der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach den Plänen des Bundesrats sollen grosse international tätige Unternehmen mit Umsätzen über 750 Millionen Euro ab Anfang 2024 auch in der Schweiz eine Mindeststeuer von 15 Prozent bezahlen.

Erreicht werden soll das über eine Ergänzungssteuer, welche die Differenz zwischen einer tieferen Besteuerung und der Mindeststeuer deckt. Der Ertrag käme den Kantonen zugute.

Dafür braucht es eine Verfassungsänderung, über die Volk und Stände voraussichtlich am 18. Juni 2023 abstimmen werden. Im ersten Schritt soll die Steuerreform auf dem Verordnungsweg eingeführt werden. Das Gesetz über die direkten Bundessteuern und das Steuerharmonisierungsgesetz sollen später im ordentlichen Verfahren geändert werden.

Gemäss ihrer Vernehmlassungsantwort ist es für die SVP offensichtlich, dass andere Staaten unter dem Deckmantel von «Nivellierung» und «Steuergerechtigkeit» zusätzliches Steuersubstrat für sich gewinnen und den Standort Schweiz schwächen wollen.

Anderseits könne die Schweiz nicht abseits stehen. Daneben rügt die Partei den schweren Eingriff in die Steuersouveränität der Kantone. Abschliessend will die SVP die Vorlage nicht beurteilen, denn allzu vieles ist in ihren Augen noch offen.

Auch die FDP erachtet die OECD/G20-Steuerreform als falsch. Die Umsetzung werde aber unausweichlich sein. Wenn die Schweiz die Mindeststeuer nicht erhebe, könnten andere Staaten Zusatzsteuern erheben, mahnen FDP und SVP. Die Schweiz müsse deshalb die Einnahmen aus der Minimalbesteuerung im Land behalten und für Massnahmen zum Erhalt ihrer Steuerattraktivität nutzen, fordert die FDP.

Dass die Einnahmen an die Kantone gehen, ist für die Partei folgerichtig. Die Mittel sollten primär in die Stärkung kantonaler Standortvorteile fliessen. Aber auch Kompensationen würden fällig. Die FDP stellt sich dabei die Senkung anderer Steuern und Abgaben vor, etwa bei den Sozialabgaben.

Die Mitte hält fest, der Bund könne höhere Steuern für bestimmte Unternehmen nicht verhindern. Dennoch liessen sich durch Anpassungen des Steuersystems die wirtschaftspolitischen und fiskalischen Auswirkungen begrenzen.

Kritisch sieht die Partei die Auszahlung der Einnahmen an die Kantone. Kantone mit hohen Einnahmen aus der Steuer könnten damit ihre Standorte derart stärken, dass grosse Unterschiede zu anderen Kantonen entstehen würden. Der Bund sollte deshalb einen Anteil von 25 bis 50 Prozent erhalten.

Die Grünliberalen sind ebenfalls nicht damit einverstanden, dass die Ergänzungssteuer an die Kantone fliessen soll. Sie sollten hälftig an Bund und Kantone gehen und die Kantonsanteile gemäss Wohnbevölkerung verteilt werden. Zudem sollte der Bund für die Veranlagung zuständig sein.

Die SP begrüsst die Steuerreform. Die eleganteste Umsetzung wäre für sie, eine Mindeststeuer für alle Unternehmen einzuführen und den «unsinnigen Steuerunterbietungswettbewerb» der Kantone zu stoppen.

Die SP akzeptiere keine Vorlage, die den kantonalen Steuerwettbewerb weiter antreibt und Steuerdumping zementiert, schreibt die Partei. Darum verlangt sie, dass die zusätzlichen Steuereinnahmen nicht durch neue Subventionen und Steuererleichterungen an die Tiefsteuerkantone und Konzernzentralen zurückfliessen.

Sonst würden einzig neue Privilegien für Konzerne und Vermögende geschaffen sowie Sinn und Zweck der internationalen Übereinkunft torpediert.

Die Grünen verlangen, dass alle Einnahmen aus der Ergänzungssteuer an den Bund gehen. Für die grossen ökologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen seien gewaltige Mittel nötig. Deshalb sollten die Einnahmen in einen Fonds fliessen. Neue Kompensationen, Steuerprivilegien und Subventionen müssten unterbleiben.

Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren (FDK) begrüsst, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der Reform nicht unterliegen. So bleibe der interkantonale Steuerwettbewerb erhalten. Sonst stellt sich die FDK hinter die Vorlage des Bundesrats.

Der Schweizerische Gemeindeverband unterstreicht, dass die betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit brauchen. Die von den Kantonen selbst vorgeschlagene 25-Prozent-Beteiligung des Bundes an den Mehreinnahmen unterstützt der Verband.

Der Schweizerische Städteverband meldete Begehrlichkeiten an: Ein Anteil für die Städte und Gemeinden müsse im Verfassungsartikel verankert werden.

Alliance Sud, der entwicklungspolitische Zusammenschluss der Hilfswerke, kritisiert den tiefen Steuersatz. Ärmere Länder hätten viel höhere Sätze. Die Mindeststeuer begünstige bereits auf OECD-Ebene die reichen Länder im Norden. Besser wäre eine Steuer auf Basis der «Minimum Effective Tax Rate for Multinationals», welche Sitz-, Absatz- und Produktionsländer der Konzerne gleichermassen berücksichtigt.

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