Trotz dem zunehmendem Druck von Gesellschaft und Politik ist die Strecke von Fluggesellschaften für mehr Umweltverträglichkeit noch weit. Die Hürden für den breiten Einsatz von Treibstoff aus erneuerbaren Quellen sind hoch, auch wenn er bereits vereinzelt verwendet wird.
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Ein Flugzeug der Swiss im Landeanflug beim Flughafen Zürich. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am Flughafen Zürich wurde erstmals während des Weltwirtschaftsforums (WEF) im Januar 2020 ein Flugzeug mit erneuerbarem Treibstoff betankt, wie Flughafen-Sprecherin Bettina Kunz auf Anfrage sagt.

Der Prozess funktioniere grundsätzlich.

Aktuell werde jedoch noch kein Treibstoff aus erneuerbaren Quellen am Flughafen Zürich betankt, da das zolltechnische Verfahren bei der Finanzverwaltung des Bundes noch in Bearbeitung sei. Dabei gehe es um Zolltarifschlüssel oder Meldeverfahren, erklärte Kunz: «Seitens Flughafen, Kunden und Lieferanten ist alles bereit für einen nächsten Schritt.»

Die grosse Hürde ist allerdings der Preis: Vor der Coronapandemie sei der nachhaltige Flugtreibstoff drei bis sechsmal teurer als normales Flugbenzin gewesen, erklärt Swiss-Sprecher Michael Stief im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Gründe dafür seien rechtliche Unsicherheiten, regulatorische Markteintrittsbarrieren und geringe Produktionskapazitäten verbunden mit vergleichsweise hohen Herstellungskosten.

Eine Vervielfachung dieser Kosten durch den Einsatz von erneuerbarem Treibstoff sei für die Fluggesellschaften nicht finanzierbar, sagt Stief. Denn bereits heute mache die Tankrechnung etwa 30 Prozent der Betriebskosten aus.

Nachhaltige synthetische Treibstoffe seien nochmals teurer. Diese werden aus Strom hergestellt (im Fachjargon Power-to-Liquid) oder in einem Reaktor aus Wasser und CO2 durch konzentriertes Sonnenlicht (sog. Sun-to-Liquid Verfahren) mit Temperaturen von über 1500 Grad produziert. Die ETH Zürich hatte vor Jahren einen solchen Rektor entwickelt, der im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts auf dem Gelände des IMDEA Energy Instituts im spanischen Móstoles errichtet wurde.

Im Vergleich zu fossilem Kraftstoff reduziert Sun-to-Liquid die CO2-Emissionen um mehr als 90 Prozent. Da sich die solare Kraftstoffproduktion am besten für Wüstenstandorte eigne, bestehe keine Konkurrenz um landwirtschaftliche Nutzfläche, hatte es damals geheissen. Den Rohstoff CO2 solle die Anlage langfristig aus der Atmosphäre gewinnen.

Wegen der besonders hohen Potentiale für Kostensenkungen und der Umweltvorteile brauche es für diese Treibstoffe nochmals eine besondere Förderung, erklärt Swiss-Sprecher Stief: Denn ansonsten würden sie aufgrund der sehr hohen Anfangskosten von den Airlines nicht abgenommen - und damit auch nicht produziert. «Fluggesellschaften können sich alternativen Treibstoff nur leisten, wenn die richtigen politischen Rahmenbedingungen gesetzt sind.»

Bei der Lufthansa Gruppe, zu der die Swiss gehört, können Passagiere (mit Ausnahme bei Brussels Airline) seit Ende 2019 ihre CO2-Emissionen durch einen zusätzlichen Beitrag über die Plattform Compensaid ausgleichen. Damit werden der Kauf von nachhaltigem Treibstoff oder Klimaschutzprojekte finanziert.

Die Nutzung des Compensaid-Angebots liege derzeit bei rund einem Prozent der Buchungen, die über die Swiss-Website hereinkämen, erklärt Stief: 80 Prozent der Kunden würden Kompensation wie Aufforstungsprojekte wählen und 20 Prozent den Kauf von alternativem Treibstoff. Dieser alternative Treibstoff werde bei der Lufthansa-Gruppe am Flughafen Frankfurt ins Betankungssystem eingespeist.

Am Flughafen Heathrow bietet der Genfer Rohstoffhändler Vitol ab dem (heutigen) Donnerstag Flugtreibstoff aus erneuerbaren Quellen an. Der Treibstoff werde in die Haupttreibstoffversorgung des grössten Flughafen Europas aufgenommen und in den darauffolgenden Tagen den Flügen in Heathrow beigemischt. Die Menge sei allerdings vergleichsweise gering, teilt Vitol mit. Sie entspreche der Betankung von bis zu 10 Kurzstreckenmaschinen.

Das Ganze sei ein Machbarkeitstest, damit in Zukunft mehr Flüge mit erneuerbarem Treibstoff am Londoner Drehkreuz durchgeführt werden könnten, schreibt Vitol. Der nachhaltige Treibstoff stammt vom finnischen Öl- und Biokraftstoffkonzern Neste und wird zu 100 Prozent aus Abfall- und Restrohstoffen wie altem Speiseöl oder tierischen Fettabfällen hergestellt.

Das Angebot wurde im Hinblick auf den G7-Gipfel der grossen westlichen Industriestaaten lanciert, der nächste Woche in Grossbritannien stattfindet. Heathrow-Chef John Holland-Kaye fordert von der Politik, Anreize für die Beimischung von erneuerbarem Flugtreibstoff zu schaffen mit dem Ziel einer Beimischungsquote von 10 Prozent bis 2030 und mindestens 50 Prozent bis 2050.

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