Gemäss der neusten Erhebung des «Reykjavik Index» haben junge Personen mehr Mühe mit weiblichen Chefs. Eine Expertin ordnet das überraschende Resultat ein.
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Frauen in Führungspositionen werden vor allem von jungen Männern nicht respektiert. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr Führungspersonen sind Frauen. Doch das Vertrauen in sie stagniert seit Jahren.
  • Gemäss dem «Reykjavik Index» gibt es in den G7-Staaten seit 2019 kaum Fortschritte.
  • Allerdings sind es primär die jüngeren Altersgruppen, die weniger Vertrauen aufweisen.

Heute gibt es so viele Frauen in Führungspositionen wie noch niemals zuvor: Doch während die Anzahl weiblicher Führungskräfte stetig zunimmt, stagniert das Vertrauen in Entscheidungsträgerinnen, wie dem neusten «Reykjavik Index» zu entnehmen ist.

Demnach würden sich nur 49 Prozent der Männer und 59 Prozent der Frauen mit einer weiblichen Vorstandsvorsitzenden «sehr wohl» fühlen. Die Studie kam zum Schluss, dass in allen untersuchten Ländern Vorurteile gegenüber Entscheidungsträgerinnen existieren – bei Frauen und bei Männern.

Der «Reykjavik Index» misst, für wie geeignet die G7- und G20-Staaten weibliche Führungskräfte halten. Der Index wird auf einer Skala von 0 bis 100 abgebildet.

Reykjavik-Index
Die Resultate ausgewählter Länder im Überblick. - Kantar Public / Reykjavik-Index 2021 - 2022

Erreicht ein Staat die Maximalpunktzahl, ist sich die Gesellschaft einig, dass beide Geschlechter gleichermassen für Führungspositionen geeignet sind. Mit 92 Zählern führt Island die Rangliste an, während Saudi-Arabien und Indonesien mit 49 respektive 47 Punkten die Schlussränge belegen.

Der Index, welcher seit 2018 erhoben wird, kommt diesjährig zu einem ernüchternden Ergebnis: «In den G7-Staaten gibt es seit 2019 keine Fortschritte auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter.»

Die Durchschnittswertung der G7-Staaten (Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, UK und USA) stagniere demnach auf rund 73 Punkten. Die Autorschaft der Studie sieht die Hartnäckigkeit gesellschaftlicher Stereotypen über Geschlechterrollen als Grund.

Akzeptanz bei älteren Menschen grösser

Die Studie kam zudem zum Schluss, dass in den meisten Staaten erhebliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen existieren.

Überraschend: In den G7-Staaten sind es aber die jüngeren Personen, welche weitaus «weniger progressive» Ansichten über Frauen in Führungspositionen haben.

Reykjavik Index Altersunterschiede
Die Resultate der G20- und G7-Staaten nach Altersgruppen im Überblick.
Reykjavik Index Altersunterschiede
Die Resultate der G20- und G7-Staaten nach Altersgruppen im Überblick.

Diese Resultate stehen im deutlichen Kontrast zu regelmässigen Behauptungen von Politikern und Politikerinnen. Insbesondere Linke poltern immer wieder gegen weisse, alte Männer. Wenigstens mit Blick auf die gesellschaftliche Akzeptanz weiblicher Führungspersonen scheint dieser Impuls aber fehlgeleitet zu sein.

Junger Mann nachdenklich
Das Klinefelter-Syndrom wird oft erst im frühen Erwachsenenalter festgestellt. - Pexels

Warum weibliche Chefs bei jüngeren Menschen – primär bei jüngeren Männern – so schlecht ankommen, bleibt indes unklar. Selbst die Leiter der Studie waren über diesen Befund erstaunt. Das Ergebnis deckt sich allerdings mit demjenigen einer grossangelegten schwedischen Studie, welche einen wachsenden Unmut über die Gleichstellungsbemühungen nachgewiesen hatte.

Expertin: «Frauen werden trotz gleicher Leistung negativer beurteilt»

Auch für Nicole Kopp, Beraterin bei «GoBeyond» und Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeits- und Organisationspsychologie, könnte die Frauenförderung am Ursprung hierfür stehen. Gegenüber Nau.ch gibt Kopp zu bedenken, dass der grosse Aufholbedarf in Gleichstellungsfragen dazu führe, dass Frauen sehr bewusst gefördert werden. Dies habe auch zur Folge, dass sich Männer zunehmend bedroht oder gar diskriminiert fühlen.

Überdies verweist die Expertin auf eine ganze Reihe empirisch belegter Fehlschlüsse im menschlichen Denken. Die Leistung von weiblichen Führungskräften würden demnach prinzipiell kritischer betrachtet – insbesondere von Männern. «All diese Effekte führen dazu, dass Frauen trotz gleicher Leistung negativer beurteilt werden als Männer.»

Für die Zukunft wünscht sich Kopp, dass Frauen ihre eigenen Erfolge besser sichtbar machen. Dies gelte vornehmlich für weibliche Chefs. Gleichzeitig sollten Unternehmen nicht verlangen, dass Männer und Frauen den gleichen Führungsstil an den Tag legen.

Sind Sie der Ansicht, dass Frauen für Führungspositionen gleichermassen geeignet sind?

Kopp ist überzeugt: «Frauen haben häufig ein anderes Führungsverhalten, welches durch Empathie, Kommunikationsstärke und Schaffen von Verbundenheit geprägt ist. Dies sollte respektiert und gestärkt werden. Für die Zukunft sehe ich eine Chance, wenn Unternehmen von der Diversität ihrer Führungskräfte profitieren und bewusst die Diversität fördern.»

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