Europäischer Gerichtshof stärkt Beteiligung der Gewerkschaften
Europäischer Gerichtshof: Die Beteiligung der Gewerkschaften wird bei der Zusammensetzung des SAP-Aufsichtsrats gestärkt.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Beteiligung der Gewerkschaften im SAP-Aufsichtsrat soll gestärkt werden.
- Der Europäische Gerichtshof hat am Dienstag entschieden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Beteiligung der Gewerkschaften bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats des Softwareriesen SAP gestärkt.
Der EuGH entschied am Dienstag in Luxemburg: Durch die Umwandlung von einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht in eine «Europäische Gesellschaft» (SE) können Unternehmen diese Beteiligung nicht schwächen. Geklagt hatten Verdi und die IG Metall. (Az: C-677/20)

SAP wurde in SE umgewandelt
SAP wurde 2014 von einer deutschen Aktiengesellschaft (AG) in eine SE umgewandelt. Bei einer deutschen AG ist ein Teil der Arbeitnehmerbank für die Gewerkschaften reserviert. Diese Vertreter werden in einem getrennten Wahlgang von den Beschäftigten bestimmt. Dies wurde für den bislang weiterhin 18-köpfigen SE-Aufsichtsrat beibehalten.
Für den Fall, dass SAP nach der Umwandlung den Aufsichtsrat auf zwölf Personen verkleinern sollte, hatten SAP und ein Verhandlungsgremium der Arbeitnehmerseite vereinbart, dass die Gewerkschaften zwar weiterhin Kandidaten vorschlagen dürfen, dass diese aber nicht mehr in einem getrennten Wahlgang bestimmt werden.
Dagegen klagten Verdi und die IG Metall. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) war der Auffassung, nach deutschem Recht müsse es weiter eine getrennte Wahl geben. Beim EuGH fragten die Erfurter Richter an, ob dies auch mit den EU-Vorgaben zur SE vereinbar ist.
Vorher-Nachher-Prinzip
Dieser verwies nun auf das «Vorher-Nachher-Prinzip», das das EU-Recht bei der Umwandlung in eine SE vorsehe. Dies lasse «in Bezug auf alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung» eine Schwächung nicht zu. Die EU habe auf einheitliche Vorgaben bewusst verzichtet, um eine Schwächung der Arbeitnehmerbeteiligung zu verhindern.
Daher sei weiterhin das deutsche Mitbestimmungsgesetz massgebend, «wie es für diese Gesellschaft vor ihrer Umwandlung in eine SE galt». Das gelte nicht nur für die paritätische Besetzung, sondern auch für die Wahlen zum Aufsichtsrat.
SAP betonte, das Unternehmen nehme den Entschluss zur Kenntnis und warte nun den Abschluss des Verfahrens ab. Derzeit gebe es ohnehin keine Pläne für eine Veränderung des Aufsichtsrats, die Arbeitnehmervertreter seien bis 2024 gewählt.
Fortschreitender Missbrauch
Verdi und IG Metall begrüssten das Urteil als: «ein deutliches Signal gegen fortschreitende Missbrauchsstrategien durch formale Umwandlung der Unternehmen». Der Gerichtshof verdeutliche, dass Sitz und Stimme der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Aufsichtsrat «auch dann zu wahren sind, wenn Unternehmen ihre Rechtsform ändern».
Nach Einschätzung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung können derzeit 1,4 Millionen Beschäftigte in deutschen Firmen ihr Recht auf paritätischen Mitbestimmung nicht ausüben, weil die Arbeitgeber «Rechtslücken für eine legale Umgehung ausnutzen». Bei gut 300.000 Beschäftigten würden «Mitbestimmungsrechte durch die Umwandlung in eine SE umgangen».
SAP hat weltweit gut 107.000 Beschäftigte in über 140 Ländern, davon rund 24.500 in Deutschland.
Der EuGH betonte vor diesem Hintergrund auch, dass daher das Vorschlagsrecht für die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat nicht allein bei den deutschen Gewerkschaften liegen dürfe. Sondern auf die in den ausländischen Tochtergesellschaften vertretenen Gewerkschaften ausgeweitet werden muss.
Abschliessend muss nun wieder das BAG über den Streit entscheiden.