Die EU-Kommission will einen tiefgreifenden Wandel der Lebensmittelproduktion hin zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit herbeiführen.
Pestizideinsatz
Pestizideinsatz - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Kritik von Landwirten an Plänen für weniger Pestizideinsatz.

Die Brüsseler Behörde enthüllte am Mittwoch Pläne, die unter anderem eine Halbierung des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft bis 2030 und die Einführung eines verpflichtenden Nährwertlogos auf Lebensmitteln vorsehen. Umwelt- und Verbraucherschützer begrüssten die Pläne und forderten eine rasche Umsetzung. Von Landwirten - unterstützt von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) - kam heftige Kritik.

«Die Ernährungssysteme sind wichtige Verursacher des Klimawandels», sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Natürlich habe der Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit einen Preis, «aber der Preis der Untätigkeit wäre für uns alle noch grösser». Weniger Pestizide trügen zum Schutz der Ökosysteme und der Artenvielfalt bei.

Bis 2030 sollen darüber hinaus der Einsatz von Düngemitteln um 20 Prozent und der Verkauf von für Nutztiere bestimmten Antibiotika um 50 Prozent reduziert werden. Auch soll ein Viertel der landwirtschaftlichen Fläche in Europa bis dahin durch Bio-Landwirtschaft bewirtschaftet werden. Um den Einsatz neuer Technologien zu fördern, soll es bis 2025 in allen ländlichen Gebieten schnelles Internet geben.

Bei den Landwirten waren diese Pläne schon länger umstritten. Bauernverbände und der Agrarausschuss des EU-Parlaments hatten wegen der Corona-Krise eine Verschiebung gefordert. Der Präsident des deutschen und europäischen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sprach nun von einem «Generalangriff auf die gesamte europäische Landwirtschaft». Wegen immer neuer Auflagen drohe «die Aufgabe einer grossen Zahl an landwirtschaftlichen Betrieben» und die «Abwanderung der europäischen Lebensmittelproduktion in Drittstaaten».

Beistand erhielten die Landwirte von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner: Die Verantwortung für das Erreichen ambitionierter ökologischer Ziele «darf nicht allein bei einer Branche abgeladen werden», erklärte die CDU-Politikerin. Sie sehe die Kommissionspläne nun als «Diskussionsgrundlage». In jedem Fall müssten die Landwirte ausreichend finanziell unterstützt werden.

Der für den Klimaschutz zuständige EU-Kommissionsvize Frans Timmermans hatte wie auch bei den Klimaschutzplänen seiner Behörde Verzögerungen strikt abgelehnt. «Wenn uns die Corona-Krise eins gelehrt hat, dann ist es, (...) dass wir die Art und Weise, wie wir leben, produzieren und konsumieren, nachhaltiger machen müssen», bekräftigte er. Deshalb müsse auch der geplante Corona-Wiederaufbauplan eng mit grünen Kriterien verknüpft werden.

Auch für Verbraucher strebt die Kommission mit ihrer sogenannten Farm-to-Fork-Strategie («Vom Hof bis auf die Gabel») Änderungen an. So soll es bald auf allen Lebensmittelverpackungen einheitliche Nährwertlogos geben. «Wir werden eine harmonisierte obligatorische Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite der Verpackung innerhalb der nächsten zwei Jahre vorschlagen», sagte die Gesundheitskommissarin Kyriakides.

Dabei werde die Kommission auf Systeme aufbauen, die es bereits gibt, fügte Timmermans hinzu. Die bislang am weitesten verbreitete derartige Kennzeichnung für Lebensmittel ist das Ampelsystem Nutriscore, die in einigen Ländern und bald auch in Deutschland auf freiwilliger Basis zum Einsatz kommt. Verbraucherverbände hatten schon länger eine europaweit verpflichtende Regelung gefordert.

Bei Informationen für Verbraucher will Brüssel zudem besonderen Fokus auf die Fleischproduktion legen. «Es ist klar, dass der Fleischkonsum einen grossen Einfluss auf die Umwelt hat», sagte Timmermans. Die Umweltorganisation Greenpeace begrüsste die Einsicht, «dass die Produktion und der Verzehr von zu viel Fleisch der Gesundheit schadet, die Natur zerstört und den Klimakollaps vorantreibt», bemängelte aber fehlende Konsequenzen.

Die Wahl liege am Ende beim Verbraucher, sagte Timmermans dazu. «Was wir tun können, ist, ein gesundes Verhalten zu fördern und die Bevölkerung zu informieren.»

Auf die vorgestellten Pläne sollen nach und nach konkrete Gesetzesvorschläge folgen. Die Kosten für den EU-Haushalt beziffert die Kommission auf 20 Milliarden Euro pro Jahr.

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