Ende der Ära Bulcke: Nestlé-Chefwechsel verschieden interpretiert
Nestlé schlägt ein neues Kapitel auf – doch wie tiefgreifend der Wandel ausfällt, darüber gehen die Einschätzungen auseinander.

Mit der Ernennung des Nestlé-Vizechefs Pablo Isla zum künftigen Verwaltungsratspräsidenten schlägt Nestlé ein neues Kapitel auf – doch wie tiefgreifend der Wandel ausfällt, darüber gehen die Einschätzungen auseinander.
Die einen sehen die Personalie als klaren Bruch mit der Nestlé-Tradition und als Signal für strategischen Neuanfang. Und es ist nach dem CEO-Wechsel im Vorjahr die zweite Veränderung in kurzer Zeit. Andere – eine Mehrheit – interpretieren den Schritt eher als Kontinuität und einen geplanten Übergang an der Konzernspitze.
Erstmals in der Unternehmensgeschichte wird mit dem Spanier Pablo Isla ein Verwaltungsratspräsident ernannt, der zuvor nie operativ bei Nestlé tätig war. Isla war von 2005 bis 2022 CEO und Präsident des Modekonzerns Inditex und verantwortete bekannte Marken wie Zara, Bershka und Massimo Dutti. Isla gehört seit 2018 dem Nestlé-Verwaltungsrat an und ist Vizepräsident des Westschweizer Giganten.
Die Investmentbank Jefferies wertet die Ernennung als «signifikanten Kurswechsel». Es sei ein Signal, dass der Konzern sich von alten Strukturen löse und sich stärker für die Zukunft aufstelle, hiess es in einer Stellungnahme vom Donnerstag. Das Analysehaus betonte, dass mit dem Bruch zur Vergangenheit eine längere Umsetzung von Reformen einhergehen könnte – weil die neue Führung weniger eng mit früheren strategischen Entscheidungen verknüpft sei.
Die Bank Vontobel sieht den Rückzug von Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke per April 2026 nach insgesamt 50 Jahren im Dienst des Unternehmens zwar als Ende einer prägenden Ära – erwartet jedoch keinen radikalen Strategiewechsel. Isla, der den Angaben zufolge neben Apple-Finanzchef Luca Maestri als Favorit für den Posten galt, sei keine Überraschung und ein erfahrener Manager, hiess es. Isla geniesse das Vertrauen der Investoren und dürfte als Vorsitzender vor allem strategische Weichen für die mittlere Frist stellen.
Paul Bulcke kündigt Rücktritt per April 2026 an
Auch für die Zürcher Kantonalbank verspricht die Nachfolgeregelung Kontinuität. Isla werde mit Laurent Freixe, der seit September 2024 CEO von Nestlé ist, das neue Duo bei Nestlé bilden und vor allem auch viel Erfahrung im Detailhandel einbringen.
Die Privatbank Oddo erwartet keine grobe Änderung der Sichtweise des Verwaltungsrats in Bezug auf Betrieb und Strategie, da Isla bereits als Vizepräsident im Verwaltungsrat tätig ist. Mit dem Schritt verbessert Nestlé nach Ansicht der Analysten wohl auch die Stimmungen bei den Investoren weiter, deren Wahrnehmung sich in den letzten neun Monaten nach einem Tief vor einem Jahr positiver ausfiel.
Der amtierende Nestlé-Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke hatte am Mittwoch seinen Rücktritt per April 2026 angekündigt und beendet damit eine Ära beim weltgrössten Nahrungsmittelkonzern. Er steht seit fast 50 Jahre im Dienst des Unternehmens, darunter 14 Jahre in der Geschäftsleitung, fast neun Jahre als CEO und neun Jahre als Verwaltungsratspräsident.
Er prägte Nestlé zuletzt durch eine strategische Neuausrichtung auf Gesundheit, Innovation und margenstarke Premiumprodukte. Unter seiner Führung wuchs der Konzern profitabel, trennte sich von wenig rentablen Sparten wie Süsswaren in den USA und baute das Geschäft mit Kaffee, Tiernahrung und Gesundheitsprodukten aus – etwa durch die Übernahme von Atrium Innovations und die Stärkung der Marken Nespresso und Purina.
Kritik gab es für den schleppenden Umbau im Wassergeschäft und die anhaltende Debatte um Nachhaltigkeit, insbesondere bei Palmöl und Verpackungen. Auch der jüngste Skandal um Nestlé Waters in Frankreich belastete das Image. Dennoch loben Analysten Bulcke als strategisch denkenden, konsensorientierten Manager, der Nestlé auf Wachstum und Innovation ausgerichtet und den Börsenwert deutlich gesteigert hat.