Seit Einführung des Euro vor 20 Jahren hat die Gemeinschaftswährung zum Schweizer Franken gut ein Drittel ihres Wertes verloren. Während einige Experten kein rasches Ende der Frankenstärke erwarten, gehen andere von einem Euro-Comeback aus.
Schweizer Franken
Bis Ende Juni wurden 40 Millionen Franken vom Seco zurückgefordert. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Aktuell ist der Euro mit Kursen deutlich unter 1,04 Schweizer Franken so schwach wie seit 2015 nicht mehr.
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Ausschlaggebend für die Schwäche des Euro ist, dass sich die Wirtschaft der USA und der Schweiz besser entwickelt als die der Eurozone.

Zudem gelten Dollar und Franken in unsicheren Zeiten als sichere Häfen. Dazu kommt, dass die Inflation in der Schweiz deutlich geringer ist als im Euroraum. Dies stärkt den Franken zum Euro zusätzlich.

Noch im März kostete ein Euro 1,1153 Franken. Danach fiel der Kurs bis Ende Dezember auf 1,0363, den tiefsten Stand seit Aufhebung des Euro-Mindestkurs durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Jahr 2015.

Dagegen hat der Dollar seit Jahresanfang Jahr gut 4 Prozent zugelegt und kostet aktuell 0,9193 Franken. Der Euro hat gleichzeitig zum Greenback gegen 8 Prozent eingebüsst. Daher hat sich der Euro zum Franken abgeschwächt.

Auslöser des festen Dollar ist neben der starken Wirtschaft die hohe Inflation in den USA. Diese hat die US-Notenbank dazu veranlasst, früher als erwartet von ihrer ultralockeren Geldpolitik Abschied zu nehmen. Im kommenden Jahr sollen die Leitzinsen in drei Schritten erhöht werden.

«Die US-Notenbank Fed hat die Schraube sehr stark angezogen», sagt Zinsspezialist Philipp Burckhardt von Lombard Odier. Dies stärke die US-Devise. Dagegen wollen EZB und SNB die Zügel noch nicht straffen.

Dies erhöht das Zinsgefälle zwischen den USA und Europa, was Kapital in die USA fliessen lässt. Denn dieses fliesst dorthin, wo die höchste Rendite lockt. Diese Zinsdifferenzen sind nach Ansicht von Credit Suisse-Analyst Patrick Ernst auch 2022 der wichtigste Treiber für die Währungsentwicklung.

Trotzdem könnte der Höhenflug des Greenback bald enden. Der Dollar sei hoch bewertet und sein Potenzial zum Teil ausgereizt, sagt Elias Hafner, Devisenspezialist bei der Zürcher Kantonalbank. Zudem erhole sich die Weltwirtschaft nun auch ausserhalb der USA, was gegen den Dollar spreche.

Wenn die Konjunktur in Europa Fahrt aufnimmt, fliesst mehr Geld in den Euro. Europa hat viele konjunkturabhängige Branchen und ist stark exportorientiert. Das werde den Euro 2022 stärken, sagt Patrick Ernst, Devisenanalyst bei der Credit Suisse. Dagegen wäre der Franken in einem Umfeld steigender Renditen und eines günstigen Konjunkturbilds in Euroland weniger gefragt, heisst es bei der ZKB.

Die grosse Unbekannte in der Gleichung ist die SNB, die im Gegensatz zu früheren Aufwertungsphasen bemerkenswert passiv geblieben ist. Sie hat zuletzt kaum interveniert und ausländische Devisen gekauft.

Die SNB wird aber nicht tatenlos zusehen, wenn der Franken immer stärker wird, denkt Adrian Schneider, Anlagestratege bei der Graubündner Kantonalbank. Lasse die Notenbank den Euro in Richtung Parität sinken und halte nicht «glaubwürdig» dagegen, öffne sie Tür und Tor für Spekulanten.

Schneider geht zudem davon aus, dass die EZB 2022 den Fuss etwas vom Gaspedal nehmen wird. Zudem habe die Inflation in der Eurozone den Höhepunkt erreicht. Daher erwarte er eine Erholung des Euro in Richtung 1,10. Auch die Analysten der Credit Suisse sehen den Euro in Jahresfrist bei 1,10 Franken.

Andere Experten rechnen jedoch damit, dass die Aufwertung des Frankens weitergeht und die Parität zum Euro kommen wird. Denn in einem unsicheren Umfeld, geprägt von Geldentwertung und Pandemie, suchten viele Anleger nach einem «sicheren Hafen». Und der sicherste Hafen ist und bleibt die Schweiz, erklärte etwa die Investmentbank Goldman Sachs unlängst in einer Studie.

Ähnlich denkt Philipp Burckhardt. «Es gibt noch nicht genügend Klarheit darüber, wie es im kommenden Jahr bezüglich Konjunktur, Inflation und längerfristigen Thematiken wie der hohen Verschuldung weitergeht. Der Franken bleibt daher gefragt», sagt der Experte von Lombard Odier. Kommt dazu, dass mit der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus dunkle Wolken am Konjunkturhorizont aufziehen.

Momentan bereitet der Euro-Kurs der SNB noch kaum Kopfschmerzen, glaubt Burckhardt. Denn solange die Inflation in der Schweiz geringer ist als in Euroland, könne die SNB eine gewisse Aufwertung des Franken zulassen und den Wechselkurs in Richtung Parität laufen lassen. «Die Wirtschaft kann mit der aktuellen Wechselkurssituation relativ gut leben.»

Doch wenn der Franken sehr schnell sehr stark aufwerten würde, dürfte die SNB zum Instrument der Überraschung greifen, wie sie das sowohl bei der Einführung wie auch bei der Aufhebung des Euromindestkurses getan hat. «Dieser Joker ist Teil des Instrumentariums der SNB als kleine Zentralbank», sagt Burckhardt.

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