Führende börsennotierte Unternehmen in Deutschland stärker für das Gemeinwohl in die Pflicht nehmen - so lautet die Forderung der Bürgerbewegung Finanzwende und von Oxfam Deutschland an die neue Bundesregierung.
Börse in Frankfurt
Börse in Frankfurt - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Oxfam und Finanzwende fordern Reform der Unternehmensführung.

«Unternehmen könnten andere Prioritäten setzen, wenn sie wollten», erklärte die Wirtschaftsexpertin von Oxfam Deutschland, Barbara Sennholz-Weinhardt, am Donnerstag. Die Politik lasse es jedoch zu, dass sich Grossunternehmen «aus der Verantwortung stehlen».

Wie eine aktuelle Untersuchung der beiden Organisationen zeigt, schütten 30 Dax-Konzerne einen immer grösser werdenden Anteil ihrer Gewinne an ihre Aktionäre aus oder vergrössern die eigenen Finanzreserven. Das Geld fehle an anderer Stelle und wichtige Investitionen, beispielsweise in den Klimaschutz, würden nicht getätigt, kritisieren die Organisationen in ihrem Bericht.

So seien zwischen 2009 und 2020 die Gewinne der 30 analysierten Dax-Unternehmen im Schnitt um 48 Prozent gestiegen - die Ausschüttungen an Anteilseigner nahmen mit einem Plus von 85 Prozent fast doppelt so stark zu. Unternehmen wie RWE, Eon und ThyssenKrupp überwiesen ihren Aktionären sogar in Verlustjahren Geld. Parallel wuchsen die Finanzreserven der Unternehmen zwischen 2014 und 2020 laut Bericht von 122 Milliarden auf 200 Milliarden Euro an.

Die Investitionen in den Klimaschutz kamen demnach bei allen begutachteten Unternehmen gleichzeitig zu kurz: Finanzwende und Oxfam Deutschland liessen pro Sektor berechnen, wie viel Geld die Konzerne investieren müssten, um ihre Geschäftsmodelle bis 2050 klimaneutral zu machen. Finanziell umsetzbar wären die Investitionen demnach für alle Unternehmen auch ohne staatliche Subventionen oder Steuererleichterungen. Getätigt würden sie jedoch nicht, so Finanzwende und Oxfam.

Im Transportsektor etwa belaufe sich die Investitionslücke für Klimaneutralität bis 2050 von BMW, Daimler, Volkswagen und Lufthansa auf 13,8 Milliarden Euro pro Jahr, ihre Gewinne betrugen demnach zuletzt im Schnitt mehr als das Doppelte. Würden die Konzerne daraus die erforderlichen Klimainvestitionen tätigen, könnten sie im Schnitt immer noch auf dem Niveau der Jahre 2009 und 2010 Gewinne ausschütten, erklärten die Organisationen.

Den Grund für den Geldfluss in Richtung der Aktionäre anstatt in Richtung des Klimaschutzes sieht der Finanzmarktexperte von Finanzwende, Michael Peters, in den Führungsetagen der Unternehmen: Dort dominierten noch immer die Interessen der Aktionärinnen und Aktionäre an steigenden Ausschüttungen. Die Vergütung von Top-Managern mit Bonuszahlungen und Aktienpaketen setze hierfür einen zusätzlichen Anreiz.

«Die Fokussierung auf die Interessen der Anteilseigner führt zu Schäden an vielen Stellen», erklärte Peters. «Immer wieder werden Gewinne privatisiert und Schäden an Mensch und Umwelt sozialisiert.»

Finanzwende und Oxfam Deutschland forderten deshalb, dass das Unternehmensinteresse, dem Aufsichtsräte und Vorstände verpflichtet sind, künftig auch die Einhaltung der Menschenrechte und der planetaren Grenzen einschliesst. Wer negativ von den Geschäften eines Unternehmens betroffen sei, solle ausserdem rechtlich gegen das Unternehmen vorgehen können.

Betroffene Interessengruppen sollten ausserdem stärker auf die Geschäftspolitik von Unternehmen Einfluss nehmen können. Insbesondere gelte dies für Arbeitskräfte, Lieferanten und lokale Gemeinschaften entlang der Lieferketten.

Unternehmen sollten ausserdem verpflichtet werden, Strategien zur Umsetzung ihrer Gemeinwohlpflichten zu veröffentlichen, forderten die Organisationen weiter. Eigentum sei dem Gemeinwohl verpflichtet, argumentieren sie mit Verweis auf das Grundgesetz. Bevor Unternehmen Gewinne an Aktionäre ausschütten, müssten sie sicherstellen, dass ihr Geschäftsmodell dem Gemeinwohl nicht schade - also weder die Klimakrise verschärfe noch Menschenrechte verletze.

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