Nach Ansicht der Alpiq-Chefin Antje Kanngiesser hat sich die Situation an den Energiemärkten drastisch verschlimmert. «Aus der Liquiditätskrise ist eine Versorgungskrise geworden», sagte sie am Donnerstag vor Journalisten.
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Alpiq-Chefin Antje Kanngiesser. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • An den nochmals stark gestiegen Preisen zeige sich, dass am Markt befürchtet werde, dass der Strom knapp werde.

«In den letzten Wochen haben wir nochmal eine nicht denkbare Entwicklung bei den Preisen gesehen», sagte Kanngiesser. Eventuell lege sich die hohe Nervosität aber auch wieder.

Für die Schweiz stellt sich mit Blick auf eine mögliche Strommangellage vor allem die Frage, ob im Winter im üblichen Masse genügend Strom aus den Nachbarländern importiert werden kann. Die europäischen Preise explodierten unter anderem wegen des Ukraine-Kriegs und der in Folge extrem gestiegenen Gaspreise. Aber auch die geringe Verfügbarkeit der französischen Atomkraftwerke hat die Preise bereits im vergangenen Jahr auf Rekordwerte getrieben.

Die grossen Schweizer Stromversorger sind über langfristige Bezugsverträge an der Produktion verschiedener französischer AKW beteiligt. Liefert eine Anlage weniger, dann fliesst entsprechend auch weniger Strom in die Schweiz.

Und die schwierige Situation hält an: Bei Alpiq etwa belasteten historisch tiefe Energielieferungen aus Frankreich das operative Ergebnis im ersten Halbjahr mit etwa 5 Millionen Franken, wie Finanzchef Luca Baroni am Donnerstag sagte. Denn der ausgefallene Strom muss anderweitig beschafft werden, und im aktuellen Umfeld ist das sehr teuer. Und auch im Gesamtjahr werde der geringere französische Atomstrom Einfluss auf das Ergebnis haben, womöglich sogar auch noch im kommenden Jahr, wie es von Alpiq hiess.

Derzeit sei nicht klar, ob die französischen Meiler im Winter genügend Energie produzierten, sagte CEO Kanngiesser. Die Frage sei auch, ob viel Wind wehe und wie die Temperaturen ausfielen. «Es hat so eine grosse Hebelwirkung auf den Bedarf, ob es ein milder Winter wird oder ein sehr kalter.»

Wegen der starken Preisanstiege und der «aussergewöhnlichen Volatilität» müssen Energieversorger deutlich höhere Sicherheitszahlungen für die abgesicherte Produktion hinterlegen. Bei Alpiq hätten sich diese seit Ende 2021 bis Ende Juni verfünffacht. Daher wurden operative Massnahmen und zusätzliche Finanzierungen umgesetzt, um die notwendige Liquidität sicherzustellen. Für die derzeitigen Preisniveaus sei man damit derzeit noch gut aufgestellt und habe auch noch Luft nach oben.

Die grösste Sorge sei ein systemischer Effekt, sagte die Alpiq-Chefin. Sollte es zu einem Marktversagen kommen, dürfte es schwierig werden. Über einen Rettungsschirm für systemkritische Stromkonzerne mit Liquiditätsproblemen berät zurzeit das Parlament. Das sei sinnvoll, sagte Kanngiesser.

Ob Alpiq sich derweil an der geplanten Wasserkraftreserve beteiligen wird, ist allerdings ungewiss. Mit einer solchen sollen gegen Winterende geringere Importmöglichkeiten und weniger inländische Produktion während weniger Wochen überbrückt werden. Viele Kunden seien aber noch gar nicht für den Winter eingedeckt, sagte Kanngiesser dazu. Diese müssten erst einmal zufriedengestellt werden. Und erst danach könne man schauen, ob Alpiq die Kapazität habe, Mengen bei der Ausschreibung für Februar anzubieten.

Indes würden die Energiekonzerne derzeit einen «Business Continuity-Plan» finalisieren. Dabei geht es darum, dass die verschiedenen Schweizer Kraftwerke weiterbetrieben werden können, auch wenn einer der Partner insolvent gehen sollte. Ansonsten liege der Fokus hierzulande in diesem Winter kurzfristig zunächst vor allem auf der Energieeffizienz und auf Versuchen, Strom einzusparen und weniger auf zusätzlicher Produktion, so Kanngiesser.

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