Die Organspenderate in der Schweiz ist zu tief. Das neue Organtransplantationsgesetz kann das ändern.
Regine Sauter Transplantationsgesetz
Regine Sauter (FDP) setzt sich für das neue Transplantationsgesetz ein. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • 80% der Schweizer Bevölkerung sind für eine Organspende, aber nur 16% halten dies fest.
  • Länder mit Widerspruchslösung haben deutlich höhere Spenderaten.

Im letzten Jahr warteten in der Schweiz 1434 Personen auf ein Spenderorgan. Jede Woche starben ein bis zwei Personen, weil nicht rechtzeitig ein passendes Organ gefunden werden konnte.

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Auf der Warteliste für eine Organtransplantation befinden sich immer mehr Menschen. - Screenshot BAG

Die Spenderate ist in der Schweiz im Vergleich mit anderen europäischen Ländern zudem sehr tief. So wurden z.B. in Spanien im Jahr 2019 knapp 50 Organe pro einer Million Einwohner gespendet, in Frankreich 33 und in der Schweiz nur 18. Auch der 2013 lancierte Aktionsplan des Bundes, durch welchen die Spenderate massgeblich gesteigert werden sollte, hat zu wenig gebracht. Er verfehlte das für 2018 definierte Ziel von 20 Organspenden pro Million Einwohner. Dass Handlungsbedarf besteht, ist somit unbestritten.

Neues Gesetz bringt Systemwechsel

Das Parlament hat vor diesem Hintergrund das Transplantationsgesetz revidiert und sich für einen Systemwechsel entschieden: Heute muss, wer nach dem Tod seine Organe spenden will, dem zu Lebzeiten ausdrücklich zustimmen und diesen Entscheid festhalten, z.B. auf einem Spenderausweis oder im nationalen Organspenderegister. Man bezeichnet dies als «Zustimmungslösung». Neu sollen nun Personen, die ihre Organe nach ihrem Tod nicht spenden möchten, dies explizit festhalten müssen. Man geht damit zur sogenannten «Widerspruchslösung» über.

Transplantationsgesetz
Regine Sauter, Nationalrätin FDP-ZH, links, und Flavia Wasserfallen, Nationalrätin SP-BE, während einer Medienkonferenz zum Kampagnenstart «JA zum Transplantationsgesetz», am 4. April 2022 in Bern. - Keystone

Diese Regelung gilt bereits in den meisten europäischen Ländern, so auch in den oben genannten, und es zeigt sich, dass die Organspenderaten dort deutlich höher sind. Auch für die Schweiz ist dies der richtige Weg. Aus Umfragen ist nämlich bekannt, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung der Organspende positiv gegenüberstehen. Dies dokumentiert haben jedoch nur wenige; 2017 hatten nur rund 16 Prozent der Befragten eine Spenderkarte ausgefüllt. Man kann deshalb davon ausgehen, dass mit dem Systemwechsel auch in der Schweiz mehr Organe transplantiert werden könnten.

Angehörige haben das letzte Wort

Auch mit dem neuen Gesetz gibt es keinen Automatismus. Ist im Falle des Todes eines Menschen sein Wille nicht bekannt, weil er diesen nicht dokumentiert hat, werden seine nächsten Angehörigen befragt, ob sie seinen Willen kennen. Sie können der Organentnahme widersprechen, wenn sie der Meinung sind, dass dies dem Willen des Verstorbenen entsprochen hätte. Sind keine nächsten Angehörigen erreichbar, ist die Organspende unzulässig.

Ein Organspende-Ausweis verstaut im Portemonnaie.
Ein Organspende-Ausweis verstaut im Portemonnaie. - Keystone

Am Prozess der Organtransplantation ändert das neue Gesetz überhaupt nichts. Es gelten weiterhin die gleichen Regeln, z.B. in Bezug auf die Feststellung des Todes einer Person. Insbesondere müssen zwei Ärztinnen oder Ärzte, die nicht zum Transplantationsteam gehören, den Tod unabhängig voneinander feststellen. Dies erfolgt in einem Spital auf der Intensivstation. Die absurde Behauptung der Gegner des Gesetzes, Unfallopfern könnten noch auf der Unfallstelle – mithin auf der Strasse – nun sämtliche Organe entnommen werden, entbehrt somit jeglicher Grundlage.

Erleichterung für Angehörige

Hingegen ergibt sich durch die neue Regelung eine wesentliche Erleichterung für die Angehörigen eines Verstorbenen, dies zeigen Erfahrungen aus Ländern, in denen die Widerspruchsregelung gilt. Sie müssen in einer ohnehin sehr belastenden Situation nicht zusätzlich einen schwierigen Entscheid anstelle des Verstorbenen fällen. Vielmehr können sie davon ausgehen, dass er ihnen gegenüber die Ablehnung einer Organspende zu Lebzeiten geäussert hätte. Dass eine umfassende Information der Bevölkerung über das neue Konzept nötig ist, ist selbstverständlich und auch so vorgesehen. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass über geeignete Massnahmen auch bildungsferne Schichten sehr gut erreicht werden können.

Stimmen Sie Regine Sauter zu?

Das neue Transplantationsgesetz kann somit dazu beitragen, dass auch in der Schweiz mehr Organe gespendet werden und mehr Leben gerettet werden können. Und bedenken wir: Das Risiko, selber auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein, ist sechsmal höher als selber zum Spender zu werden. Deshalb sage ich mit Überzeugung ja zum neuen Gesetz.

Zur Autorin: Regine Sauter ist Zürcher FDP-Nationalrätin und Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats. Sie sitzt im Komitee «Ja zum Transplantationsgesetz».

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