Meret Schneider: Ist eine Preissenkung beim Brot wirklich sinnvoll?
Tiefstpreise können an den Konsumierenden auch vorbeigehen. So passiert es zurzeit mit dem Brot. Eine Kolumne von Meret Schneider.

Das Wichtigste in Kürze
- Nationalrätin Meret Schneider schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen.
- Heute schreibt sie über die Brotpreise – und die Kettenreaktion beim «Pfünderli».
- Eine Fair-Preis-Strategie müsste den tatsächlichen Wert des Lebensmittels abbilden.
Goldene Zeiten für Sparfüchse! Könnte man meinen. Nachdem der Kampf um die günstigsten Preise im Detailhandel zunächst beim Fleisch entbrennt, macht kurz darauf die Preisoffensive von Aldi beim Brot Schlagzeilen.
Was ist passiert? Aldi verkauft neu das «Pfünderli» zum symbolträchtigen Preis von 99 Rappen. Also weniger als einen Franken für 500 Gramm Brot.

Kettenreaktion rund um das «Pfünderli»
Kurz nach dieser Ankündigung ziehen Lidl und Denner nach. Und auch die Migros lässt verlauten, man werde das Halbweiss- und Ruchbrot zu 500 Gramm neu für einen Franken verkaufen. Das entspricht einer Preissenkung von 17 Prozent (beziehungsweise 13 Prozent).
Darauf kommt auch der zweite orange Riese nicht umhin, ebenfalls eine Preissenkung auf einen Franken anzukündigen. Und so ist das gute alte «Pfünderli» nun in sämtlichen Grossverteilern zu rund einem Franken erhältlich.
Fleischaktionen sind Frequenzbringer
Beim Preiskampf ums Fleisch ist klar: Durch Aktionen und Preissenkungen auf teurere Lebensmittel und Edelstücke werden Kundinnen und Kunden in den Discounter gelockt. Solche, die dort den gesamten Wocheneinkauf tätigen, statt bei der Konkurrenz einzukaufen.
Fleischaktionen sind sogenannte Frequenzbringer. Sie sorgen dafür, dass sich Konsumierende für den entsprechenden Detailhändler entscheiden. Der Grund: Diese Lebensmittel machen einen grossen Anteil im Haushaltsbudget von Herrn und Frau Schweizer aus.
Doch wie sieht es beim Brot aus, das im Zuge der Preissenkungen nicht nur im Wortsinne in aller Munde war? Aldi meint dazu: Brot ist ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Und wir möchten, dass es sich jede und jeder leisten kann.
Psychologischer Effekt des Brotes
So weit, so gut. Doch stellt sich in Anbetracht der Haushaltsbudgets die Frage, ob man mit einer Preissenkung ausgerechnet beim ohnehin bereits günstigen Nahrungsmittel Brot tatsächlich etwas für die weniger verdienende Bevölkerung tut?
Oder nicht viel mehr den psychologischen Effekt des Brotes unter einem Franken dafür nutzt, sich als kostengünstigsten Detailhändler zu positionieren.

Debatte über Kaufkraft ist angebracht
Der Anteil aller Nahrungsmittel am Haushaltsbudget in der Schweiz beträgt durchschnittlich 6,8 Prozent. Wobei Brot als günstiges Nahrungsmittel einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Kaufkraft hat.
Klar ist, dass in einer Situation, in der rund 700'000 Personen (rund 8 Prozent der Bevölkerung) in der Schweiz von Armut betroffen sind (und ungefähr 14 Prozent nur knapp über der Armutsgrenze leben), eine Debatte über Kaufkraft und steigende Preise absolut angebracht ist.
Ebenso klar ist jedoch, dass für steigende Lebenshaltungskosten keineswegs die Lebensmittel, sondern viel mehr Mieten, Krankenkassenprämien und Energiekosten verantwortlich sind. Und die zehn Rappen beim Brot maximal einen psychologischen Effekt nach sich ziehen.
Jeder Rappen zählt beim Handwerksbäcker
Nicht psychologisch ist dieser Effekt der Brotpreissenkungen jedoch bei einer anderen Bevölkerungsgruppe. Nämlich den Bäckerinnen und Bäckern sowie den Getreidebauern.
Discounter und Grossverteiler können ihre Frequenzbringer-Aktionen oder Preissenkungen wie im Falle der Brotpreise quer finanzieren. Kundinnen und Kunden kaufen im Geschäft nicht nur Brot, sondern tätigen den gesamten Einkauf. Durch das grössere Kundenaufkommen können die paar Rappen Einbusse beim Brot kompensiert werden. Das ist beim Handwerksbäcker jedoch nicht der Fall.
Mix beim Detailhändler
Die Detailhändler machen das Geschäft mit einem Mix. Mit Kundinnen und Kunden, die Rabatte jagen. Und mit jenen, die nicht strikt nach Einkaufszetteln einkaufen müssen.
Einer der Marketing-Tricks ist es, mit Qualität und tiefen Preisen zu locken. Und darauf zu setzen, dass das eine oder andere Produkt zusätzlich im Warenkorb landet.
Eine Strategie, die für Bäckereien nicht aufgeht. Und die durch die sogenannten Preisoffensiven zunehmend unter Druck geraten.
Gleiches gilt für die Produzierenden von Brotgetreide: Sie verspüren durch die Preissenkungen zwar noch keine direkten Konsequenzen. Durch die Situation der Dumpingpreisstrategie befinden sie sich aber in einer schwachen Verhandlungsposition gegenüber dem Detailhandel.
Eine Fair-Preis-Strategie wäre angebracht
Wäre es den Detailhändlern also tatsächlich ein Anliegen, dass sich künftig «jeder Brot leisten können soll» (wie es Aldi formuliert), so wären nicht ein paar Rappen Preisabschlag ein sinnvoller Beitrag dazu.
Vielmehr wäre es eine Fair-Preis-Strategie, die den tatsächlichen Wert des Lebensmittels abbildet. Eine Strategie, die Handwerksbäckereien nicht in Existenznot bringt – und die Getreidebäuerinnen und -bauern faire Löhne garantiert.
Alles andere ist schlicht ein detailhandelsinterner Kampf um den preissensibelsten Sparfuchs!

Zur Person: Meret Schneider (33) ist Mitglied des Schweizer Nationalrats. Sie arbeitet als Projektleiterin beim Kampagnenforum. Weiter ist sie Vorstandsmitglied der Grünen Partei Uster ZH.








