Widrige Umstände nerven und deprimieren – sind aber oft auch eine tolle Gelegenheit, wie unser Halleluja-Kolumnist findet.
Sam Urech besucht die Freikirche FEG Wetzikon.
Sam Urech besucht die Freikirche FEG Wetzikon. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Sam Urech aus dem Zürcher Oberland ist Halleluja-Kolumnist auf Nau.ch.
  • Sind Sie seiner Meinung? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar.
  • Den Autor erreichen Sie per E-Mail unter sam@hisam.ch.

Voller Abenteuerlust rückten die Soldaten in den 1. Weltkrieg ein, gelockt vom Versprechen, spätestens an Weihnachten als ruhmreiche Sieger wieder ihre Liebsten zu küssen.

Es sollte ganz anders kommen. Wer überhaupt bis zum 24. Dezember 1914 überlebte, hatte nun bereits Bilder gesehen, von denen er nie mehr frei werden sollte. Und jedem war klar, dass dieser Schrecken so schnell nicht enden wird.

Eingesperrt in vereisten Schlammlöchern wurde ein Feind beschossen, der teilweise nur 50 Meter weit entfernt ebenfalls in einem Schützengraben steckte.

Stellen Sie sich das mal vor! Jede Sekunde konnte Sie eine Granate verstümmeln, jeden Moment könnte Ihnen Giftgas Ihr Augenlicht nehmen.

Angst, Schweiss und Blut – statt Friede, Glühwein und Freude. Und so soll man Weihnachten feiern?

Weihnachtsfrieden mitten im Horror

Es berührt mich, was dann an der Westfront in Flandern passierte. Deutsche und britische Soldaten begannen, einander zuzurufen. Zunächst einigten sie sich darauf, die Toten zwischen den Gräben bergen zu dürfen, ohne einander unter Beschuss zu nehmen.

Dann stimmten deutsche Soldaten Weihnachtslieder an. Die Briten lauschten und applaudierten, bevor auch sie zu singen begannen.

Schliesslich krochen die verfeindeten Frontkämpfer aus den Todesgräben und trafen sich in der Mitte. Dort, wo Monate zuvor und danach Blei, Feuer und Gift Leben zerstörten, lagen sich plötzlich Briten und Deutsche in den Armen.

Es wurde getrunken, geraucht, gelacht, ja sogar Fussballspiele ausgetragen. Deutschland gewann ein «Freundschaftsspiel» gegen die Briten mit 3:2.

Einige Tage später war der Weihnachtsfrieden leider wieder zu Ende. Der Horror nahm seinen Lauf.

Der Weihnachtsfrieden im Video. - Youtube

Das Fest der Liebe

An Weihnachten verspüren Menschen ausgeprägt den Wunsch nach Liebe und Nähe. Natürlich am Liebsten die Liebe von Familie und Freunden – zur Not können es aber auch mal verfeindete Soldaten sein, die einem tags zuvor Granaten an den Kopf warfen.

Wie eindrücklich: Die kraftvolle Bedeutung von Weihnachten als Fest der Liebe, des Friedens – inmitten des Krieges. Unter widerlichen Umständen.

Widerliche Umstände gibt es auch in diesem Jahr. Vielleicht fühlen Sie sich, als lägen Sie gerade im Schützengraben. Einsam, verbittert, hoffnungslos: Und jetzt sollten Sie Weihnachten feiern?

Man hat immer die Wahl

Viele Menschen müssen dieses Jahr die Festtage einsam verbringen. Ein Gedanke, der mich sehr traurig macht.

Und wieder mal bin ich in einer sehr privilegierten Lage: Ich kann mit meiner wundervollen Frau und unseren grossartigen Söhnen die Geburt von Jesus feiern.

Aber ja, auch ich darf dieses Jahr einige Dinge nicht tun. Ein Verwandtschaftstreffen in Zofingen musste abgesagt werden. Andere Feiern rund um die Festtage fallen aus.

Was mache ich nun? Über Alain Berset schimpfen? Über die Chinesen?

Ich möchte Ihnen die Geschichte aus dem 1. Weltkrieg vor Augen führen: Sie haben die Wahl, ob Sie sich von widerlichen Umständen zerstören lassen, oder ob Sie widerliche Umstände als Chance sehen.

Das Gift der Ablenkung

Eine grosse Chance dieses Lockdown-Jahres ist, dass Sie sich weniger gut ablenken können. Führt das zu bedrückten Gefühlen? Streit? Angst? Bitte seien Sie sich so wichtig, es auszuhalten, sich mal zu fragen, wovon Sie sich sonst immer ablenken.

Eine weitere Chance ist, dass Ihnen viel Zeit geschenkt wird. Da Sie nicht im überfüllten Einkaufscenter in einer 20 Meter langen Schlange an der Kasse anstehen müssen, nutzen Sie doch die freie Zeit, sich zu überlegen, wer Ihnen wirklich etwas bedeutet.

Sie könnten eine Liste von Menschen aus Ihrem Umfeld erstellen, die dieses Jahr ganz besonders leiden werden. Verschicken Sie Briefe, eine Postkarte, telefonieren Sie, seien Sie kreativ. Verbreiten Sie Liebe!

Momente der Freude

Schönschminken will ich es nicht: Lockdown-Weihnachten zu feiern ist unschön. Aber erträglicher für uns alle wird es, wenn hoffentlich viele Menschen die widrigen Umstände als Chance sehen.

Wie in den Schützengräben. Weil einige Mutige zu singen begannen, durften viele Soldaten an Weihnachten Momente der Freude erfahren.

Genau das wünsche ich Ihnen und Ihren Angehörigen.

Zum Autor:

Sam Urech ist 36-jährig, verheiratet und Vater von zwei Buben. Mit seiner Familie besucht er die Freikirche FEG Wetzikon. Sam hat viele Jahre beim Blick als Sportjournalist gearbeitet und ist heute Inhaber der Marketing Agentur «ratsam».

Er liebt seine Familie, seine Kirche, Guinness, Fussball, Darts, den EHC Wetzikon, Preston North End und vor allem Jesus Christus. Sam schreibt wöchentlich auf Nau.ch über seine unverschämt altmodischen Ansichten. Hier finden Sie alle seine Halleluja-Kolumnen.

Fragen oder Anregungen? Schreiben Sie Sam ein Email: sam@hiSam.ch

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