Am 13. Februar stimmt die Schweiz über das Tier- und Menschenversuchsverbot ab. Dr. Maike Heimann analysiert die Argumente der Initianten.
Tierversuchsverbot
Das Tierversuchsverbot würde sämtliche Tierversuche in der Schweiz unterbinden. Am 13. Februar stimmt die Schweiz über ein «Ja zum Tier und Menschenversuchsverbot» ab. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Es wird über die Tierversuchs- und Menschenversuchsverbotsinitiative abgestimmt.
  • Dr. Maike Heimann ist Präsidentin von SAVIR und analysiert im Gastbeitrag die Argumente.

Am 13. Februar 2022 haben die Schweizer Wählerinnen und Wähler über die Tierversuchs- und Menschenversuchsverbotsinitiative abzustimmen. Diese fordert ein sofortiges Verbot von Versuchen mit Menschen und mit Tieren; Tierversuche sollen wie Verbrechen behandelt werden.

Der Handel und der Import von Produkten und Medikamenten, die im Ausland mithilfe von Tierversuchen entwickelt werden, soll ebenfalls verboten werden – auch wenn es keine Behandlungsalternative gibt. Viel wurde in der Öffentlichkeit bereits über die möglichen negativen Konsequenzen bei Annahme dieser radikalen Initiative berichtet: Gefährdung der medizinischen Versorgung von Mensch und Tier, Beeinträchtigung des Umweltschutzes und der Landwirtschaft, Schwächung des Forschungsstandorts Schweiz, Verlagerung von Tierversuchen ins Ausland - um nur einige zu nennen.

Gibt es Alternativen?

Die Initianten behaupten, es gäbe längst geeignete Alternativen zu Menschen- und Tierversuchen, aber mehr als eine Behauptung ist das nicht. Fakt ist, dass sogenannte Alternativmethoden, bereits heute zum Einsatz kommen (wann immer dies möglich ist). Oft werden sie Tierversuchen vorgeschaltet, was die Anzahl von Versuchstieren reduziert. Abgesehen von der ethischen Verpflichtung dazu besteht eine gesetzliche Verpflichtung – schon beim Stellen des Tierversuchsantrags muss man belegen, ob und welche Alternativen man zum Tierversuch einsetzen kann, bzw. inwieweit man dies vorgängig bereits getan hat.

Tierversuchsverbot
Das Komitee der Initiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» will Tier- und Menschenversuche ganz verbieten. - Keystone

Noch können sogenannte Alternativmethoden Tierversuche aber nicht vollumfänglich ersetzen. Diese Forschungsverbotsinitiative wird die Entwicklung von Alternativmethoden sicher nicht beschleunigen. Gemäss den Initianten sei eine der wichtigsten Alternativen zum Tierversuch die Zellkultur bzw. verschiedene hintereinander zu einem System geschaltete Zellkulturen.

Ist die Zellkultur die Lösung?

Eine Zellkultur ist im Grunde eine kleine Schale – darin liegt eine sehr dünne Schicht tierischer oder menschlicher Zellen eines bestimmten Zelltyps (also zum Beispiel nur Leberzellen). Gefüttert werden diese Zellen mit einer Nährlösung, die aus fetalem Kälberserum gewonnen wird – ohne Tier kommt man also selbst bei Verwendung von menschlichen Zellen nicht aus (eine bewusst unterschlagene Information).

Anders als diese dünne Zellschicht eines bestimmten Zelltyps in der Zellkultur bestehen dreidimensionale Organe im Körper aus vielen verschiedenen Zelltypen, die unterschiedlichste Funktionen wahrnehmen. Statt z.B. nur einfache Leberzellen wie in der Zellkultur findet man in einer echten Leber neben Leberzellen auch noch Bindegewebszellen, Blut- und Lymphgefässe, Gallengänge, Nervenzellen und Zellen des Immunsystems.

Tierversuchsverbot
Komitee-Mitglieder der Volksinitiative «Ja zum Tier und Menschenversuchsverbot» reichen Schachteln voll mit Unterschriften weiter. Sie setzen sich für den Tierversuchsverbot ein. - keystone

Die Anatomie eines Organs ist also genauso komplex wie seine Funktionen und die darin ablaufenden Vorgänge (von denen übrigens viele noch unbekannt, weil noch nicht erforscht sind). Alle Organe im Körper sind wiederum miteinander über Nerven- und Blutbahnen verbunden und werden von Botenstoffen wie Hormonen und Enzymen beeinflusst. Dass eine einfache Zellkultur nicht die biologischen Prozesse in einem Versuchstier oder Menschen ersetzen kann, wird mit Blick auf die Anatomie schnell deutlich.

Die aktuelle Forschung versucht zwar, verschiedene Zellkulturen miteinander zu koppeln (beispielsweise Leberzellen mit Nierenzellen zu einem System zu verbinden). Dabei kann aber noch nicht der komplexe Aufbau eines Organs wie oben beschrieben berücksichtigt werden. Anders als von den Initianten dargestellt, sind somit diese Entwicklungen (z.B. Human-on-a-chip oder Organoidsysteme) derzeit noch nicht ausgefeilt genug, um den Einsatz von Versuchstieren komplett zu ersetzen.

Tierversuche sind nötig

Weiterhin geben die Initianten vor, man könne mit Computersimulationen Tierversuche ersetzen – das geschieht teilweise schon. Simuliert werden kann allerdings nur, was schon bekannt ist: man braucht also erstmal die Erkenntnis, wie ein biologischer Prozess in einem Körper genau abläuft, um mit diesen Daten die Simulation zu programmieren. Auch hier kommt man also um den Tierversuch nicht herum.

Tierversuchsverbot.
Mit Computersimulationen möchte man Tierversuche ersetzen. Für die Programmierung der Simulationen kommt man abe rnicht um den Tierversuch herum. - Keystone

Epidemiologische Studien und bildgebende Verfahren (z.B. Röntgen oder Computertomographie) werden weiterhin als Alternative zu Menschen- und Tierversuchen genannt – wie sollen denn diese Messmethoden zum Einsatz kommen, wenn die Forschung mit menschlichen oder tierischen Probanden verboten wird?

Dasselbe kann man zur Forderung des Einsatzes von Metaforschung sagen. Metaforschung ist Forschung über Forschung: man schaut aus der Vogelperspektive auf Forschungsergebnisse und beurteilt deren Qualität und erforscht mögliche Verbesserungspotentiale. Um Metaforschung machen zu können, benötigt man also Forschungsarbeiten, die aber ja mit dieser überhaupt nicht durchdachten Initiative verboten werden sollen. Da beisst sich die Katze in den Schwanz.

Eine Initiative von «Antispezieszisten»

Diese Initiative wird von Antispezieszisten lanciert; Personen also, die Mensch und Tier auf eine Stufe stellen und die Nutzung von Tieren ablehnen. Das gilt dann nicht nur für die Nutzung im Versuch, sondern auch für die Nutzung als Haustier, als Hilfstier (z.B. Such- oder Blindenhund, Therapietier), als Zootier und als Nutztier. Und um dieses Ideal zu erreichen, wird mit realitätsfernen Behauptungen und bewussten Irreführungen argumentiert. Es wird sich zeigen, wie gut das beim Wahlvolk ankommt.

Maike Heimann
Dr. Maike Heimann ist Veterinärmedizinerin und Präsidentin der Schweizer Vereinigung der Tierärzte und Tierärztinnen in Industrie und Forschung (SAVIR). - SGV

Dr. med. vet. Maike Heimann ist Veterinärmedizinerin und hat diesen Gastbeitrag in ihrer Funktion als Präsidentin der «Schweizer Vereinigung Tierärzte in Industrie und Forschung SAVIR» verfasst.

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