Die Schweiz muss ihre Neutralitätspolitik überdenken, darf diese aber auf keinen Fall aufgeben. Ein Gastbeitrag von Christina Bachmann-Roth (Die Mitte).
Bachmann Roth
Christina Bachmann-Roth, Mitte-Politikerin. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Schweizer Munition darf nicht in die Ukraine geliefert werden, was auch richtig sei.
  • Doch die aktuelle Neutralitätspolitik gelte es zu überdenken, ohne diese aufzugeben.
  • Wie dies aussehen könnte, schreibt Christina Roth-Bachmann in ihrem Gastbeitrag.
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Aufgrund des Neutralitätsrechts hat der Bundesrat Anfang November entschieden, den Export von Munition durch Deutschland an die Ukraine nicht zu erlauben.

Gleichzeitig haben wir entschieden, dass wir Sanktionen unterstützen und haben uns auch so mit den anderen Demokratien positioniert und solidarisiert.

Ist das neutral? Ja ganz klar!

Die Mitte Bachmann-Roth
Christina Bachmann-Roth, Präsidentin Mitte-Frauen Schweiz, spricht während einer Medienkonferenz eines überparteilichen Komitees «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», - Keystone

Im Angesicht eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs soll die Schweiz Partei für das Völkerrecht ergreifen und die Sanktionen der EU übernehmen – wie sie das seit 1998 immer wieder getan hat. Die russische Aggression verstösst gegen alle internationalen Regeln und ist eine direkte Bedrohung für unsere Werte und unsere Sicherheit. Würden wir nichts tun, würden wir den Aggressor begünstigen.

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Trotzdem: Wir erlauben die Lieferung von Munition an die Ukraine nicht. Sonst müssten wir gemäss Neutralitätsrecht Kriegsmaterial an beide Kriegsparteien liefern.

«Keine Waffen zu produzieren, ist auch keine Lösung»

Der Entscheid des Bundesrats, den Export von Munition durch Deutschland an die Ukraine nicht zu erlauben, wirkt verstörend. Diese Neutralität scheint mir fast unanständig. Und trotzdem: wir können und wollen doch nicht Recht brechen! Nur wenn andere das tun, machen wir das nicht auch!

Gepard-Panzer Rüstungsindustrie Rüstungsexporte
Die Bundesrepublik Deutschland hat der Ukraine die Lieferung von bis zu 50 ausgemusterten Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer zugesprochen. Doch Munition für das Waffensystem, welche in der Schwe - Bundeswehr

Natürlich drängt sich da die Frage auf, warum wir denn Waffen produzieren, wenn wir diese nicht liefern wollen. Diese Spannung müssen wir als neutraler Staat aushalten. Keine Waffen zu produzieren ist eben auch keine Lösung für eine bewaffnete Neutralität, welche die Schweiz lebt. Es braucht einfach einen geregelten Ausfuhr – dafür haben wir das Kriegsmaterialgesetz – dieses gilt es aufgrund der neuen Situation zu überarbeiten.

Ich bin dafür, dass der Bundesrat und das Parlament alles daran setzen, dass wir erwartbar und glaubwürdig sind gegenüber anderen Demokratien und dass wir die Ukraine bestmöglich in ihrem und unserem – dem westlichen – Verteidigungskampf unterstützen.

Schweiz Ukraine-Krieg Kasparow
Der Bundesrat hält nämlich an der Neutralität der Schweiz fest und will weder Waffen noch Munition an die Ukraine liefern. (Symbolbild) - Keystone

Die Schweiz ist ein neutraler Staat und die Beibehaltung der Neutralität ist unbestritten. Diese Haltung ist klug, selbstbestimmt und nicht unehrenhaft, weil sie auf den Krieg als Mittel der Aussen- und Interessenpolitik verzichtet. Die Neutralität ist nicht als Ziel in der Verfassung verankert, sondern als Mittel zum Zweck zur Sicherung von Freiheit, Sicherheit, Wohlfahrt und für den inneren Zusammenhalt. Es ist wichtig, die Neutralität nicht als Ziel in der Verfassung zu verankern, weil die Handlungsfreiheit dann zu stark eingeschränkt wäre.

Die aktuelle geopolitische Lage, der Druck auf die Schweiz durch die Parteien und Partnerstaate zeigt uns die Verantwortung auf, dass wir über die Entwicklung der Neutralitätspolitik nachdenken müssen, damit wir für unsere Partner, andere Demokratien, erwartbar und vertrauenswürdig bleiben. Wir müssen über die Neutralität reden und sie erklären.

«Müssen Neutralität kritisch überdenken, ohne diese aufzugeben»

Wir müssen also die Neutralität kritisch überdenken, ohne diese aufzugeben. Drei Gedanken können uns darin leiten:

1. Klare Position auf die Seite von Demokratien und dementsprechende Anpassungen unseres Kriegsmaterialgesetzes.

2. Die Schweiz soll sicherheitspolitisch internationale Kooperationen prüfen, denn grösstmögliche Sicherheit heisst nicht grösstmögliche Unabhängigkeit. Sie darf sich selbst verteidigen mit einem Bündnis – dafür müssen aber die Streitkräfte kooperieren können. So sollten diese zum Beispiel gemeinsame Ausbildungsoptionen anstreben. Gemeinsam muss auch das Problem der unsicheren Lieferketten von Kriegsmaterial gelöst werden.

3. Die Schweiz solidarisiert sich mit den Angegriffenen bei Angriffen auf das demokratische Europa.

Zur Autorin: Christina Bachmann-Roth ist Betriebsökonomin, Geschäftsführerin, Einwohnerrätin in Lenzburg und Präsidentin der Mitte-Frauen Schweiz. Die Wahlaargauerin mit Luzerner Wurzeln lebt mit ihrem Mann und ihren vier Töchtern in Lenzburg.

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