Viele Menschen haben Mühe damit, Russland als glasklaren Feind zu benennen. Woran liegt das? Diese Frage stellt sich Nau.ch-Kolumnistin Christina Bachmann-Roth.
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Die Mitte-Politikerin Christina Bachmann-Roth ist Nau.ch-Kolumnistin. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit mehr als zwei Jahren tobt in der Ukraine ein erbitterter Angriffskrieg Russlands.
  • Trotz klarer Verhältnisse haben viele Mühe damit, den Feind klar zu benennen.
  • Warum ist das so? Diese Frage stellt sich Nau.ch-Kolumnistin Christina Bachmann-Roth.
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Mein Grossvater ist während dem zweiten Weltkrieg im Fricktal aufgewachsen. Bombenlärm und der flackernde Himmel haben ihn so sehr geprägt, dass er entschied, in die sicheren Berge «auszuwandern».

Diese Angst vor dem Krieg hat ihn geprägt und er wurde Baumeister der Bunker im Gotthardmassiv während dem Kalten Krieg. Der Feind war immer der Russe. Noch mein Vater hat im Militär in Szenarien gekämpft, wo Russland der Feind war.

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Russische Raketen auf ihrem Weg in die Ukraine. - keystone

Ich bin irritiert, wie viele Menschen von rechts bis links Mühe damit haben, den Feind im aktuellen europäischen Krieg klar zu benennen.

Noch immer höre ich die Forderung nach Verhandlungen mit Russland und Aussagen wie: «Wir sollten nicht noch Öl in das Feuer giessen.»

In der Ukraine brennt es schon. Russland ist aggressiv und gewaltsam in die Ukraine eingefallen mit dem Ziel, einst verlorenes Territorium zurückzugewinnen.

Verhandlungen – wofür?

Was kann mit Verhandlungen denn erreicht werden? Sollen Teile der Ukraine an Russland abgetreten werden? Die Flüchtlingsströme, welche eine Kapitulation der Ukraine zur Folge hätte, sind unvorstellbar hoch. Der Familiennachzug in die Schweiz ist nur der Anfang.

Noch viel mehr Ukrainer würden ihr Land verlassen. Der Krieg würde sich ausweiten auf weitere osteuropäische Länder, aus denen die Menschen ebenfalls fliehen müssten.

Warum haben wir heute so grosse Mühe, Russland als Feind zu deklarieren? Ist es vielleicht einfacher, eine Diktatur geführt von linken Kommunisten zum Feind zu haben als eine Diktatur angeführt durch einen autoritären Mann?

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Der Angriffskrieg von Wladimir Putin löst in der Ukraine ein unendliches Leid aus. - keystone

Dass gerade die grösste Partei der Schweiz – die SVP – welche doch das Problem der Migration erkannt hat, nicht klare Kante gegen Russland zeigt, ist irritierend.

Die Partei überhöht Neutralität zur moralischen Pflicht und will sie sogar in die Verfassung schreiben anstatt sie als Instrument zur Selbstverteidigung zu nutzen.

Werte werden in der Ukraine verteidigt

Selbstverteidigung heisst auch, sicherzustellen, dass wir im Kriegsfall von Verbündeten unterstützt werden und wir die Migration im Griff haben.

Im Moment verteidigen die Ukrainer nicht nur ihr Land, sondern auch unsere Werte und sie schützen Europa vor riesigen Flüchtlingsströmen.

Sollte die Schweiz mehr tun, um die Ukraine im Kampf gegen die russische Aggression zu unterstützen?

Also täten wir gut daran, sie darin zu unterstützen. Es ist doch klar zu erkennen, welchen Ländern wir zutrauen dürfen, dass sie uns schützen würden im Kriegsfall! Es sind die Länder, welche heute die Ukraine unterstützen!

Es sind Demokratien, welche ihrer Bevölkerung Freiheit geben. Es sind Länder, wo man am Stammtisch über die eigene Regierung witzeln kann, ohne ins Gefängnis gesteckt zu werden.

Die Bunker meines Grossvaters hat die Schweiz nie gebraucht. Auch dank der Neutralität, die wir klug eingesetzt hatten. Am Anfang jeder Handlung steht jedoch die klare Einschätzung der Lage und der Benennung des Feindes.

Diese fehlt in der heutigen Schweiz und diesbezüglich wünsche ich mir die Klarheit meines Grossvaters zurück. Sie würde uns allen guttun.

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Zur Person: Christina Bachmann-Roth ist Betriebsökonomin, Geschäftsführerin, Einwohnerrätin in Lenzburg und Präsidentin der Mitte-Frauen Schweiz. Für Nau.ch schreibt sie regelmässig Kolumnen.

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