Unser Kolumnist denkt, dass es für die Schweiz unwürdig ist, Gewinne aus Kinderarbeit und Umweltvernichtung zu generieren, und er regt sich über Lügen auf.
Reda El Arbi
Gastautor bei Nau.ch: Reda El Arbi. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
  • Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und mehreren Hunden in Stein am Rhein SH.

Die Frage wäre eigentlich ganz einfach: Sollen Schweizer Konzerne für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung haften, die sie verantworten? Dass diese Frage 2020 überhaupt gestellt werden muss, ist schon peinlich.

In den letzten Tagen sind nun die Botschafter der Lobbys, also der Economiesuisse, auf allen Kanälen laut und sichtbar und wettern gegen die Konzernverantortungsinitiative. Fair enough, das ist bei Abstimmungen so. Was mich nervt, ist die Unredlichkeit, mit der hier eine Kampagne geführt wird. Ich habe nichts gegen harte Abstimmungskämpfe. Wenn man aber die Bevölkerung absichtlich belügt und irreführt, werde ich fuchsteufelswild.

Beweislastumkehr

Da gibts zum Beispiel die wiederkehrende Lüge, dass die Initiative die Beweislastumkehr einführt. Also, dass die Unternehmen zuerst beweisen müssten, dass sie keine Menschenrechtsverletzungen oder Umweltkatastrophen verursacht hätten. Das ist nachgewiesenermassen nicht so.

Die Kläger müssen (wie überall) zuerst beweisen, dass eine Verletzung vorliegt. Ist das einwandfrei nachgewiesen, wäre eigentlich eine Verurteilung oder Haftung fällig. Hier hat die Initiative eine kleine Hintertür eingebaut: Ist der Tatbestand bewiesen, gibts nicht einfach ein Urteil, nein, die Konzerne haben dann noch die Möglichkeit, nachzuweisen, dass sie die Sorgfaltspflicht eingehalten haben.

Konzernverantwortung
Personen einer breiten Koalition aus rund 80 Organisationen reichen 2016 die Konzernverantwortungsinitiative ein. - Keystone

In einem Strafprozess wäre das in etwa das Gleiche, wie wenn ein Angeschuldigter, der jemanden umgebracht hat, noch Notwehr oder Schuldunfähigkeit anbringen kann. Es ist eine zusätzliche Möglichkeit der Verteidigung, nicht eine Beweistlastumkehr.

Wirkt nicht in den Herkunftsländern

Weiter wird angeführt, dass die Konzernverantwortung in den Herkunftsländern nichts bringt. Die betroffenen Unternehmen würden dann dort einfach nicht mehr produzieren. Sie könnten die Produktion in andere Länder verlegen, aber eben auch nur dahin, wo bereits ethische Regeln gelten.

Es wäre also billiger, vor Ort Verbesserungen umzusetzen. Es ist erstaunlich, dass gerade ein Wirtschaftsverband ein Argument bringt, das jeder Erstsemester-Wirtschaftsstudent widerlegen kann: Unternehmen müssen produzieren, sie können nicht einfach aufhören.

konzernverantwortung
Die Wirtschaft zeigt Verständnis für das Anliegen der Initiative. - Keystone

Zudem spielt hier der Markt: In den betroffenen Ländern sind die fraglichen Zulieferer auf die Investitionen und Gelder aus der Schweiz angewiesen. Sie werden sich also anpassen, um die lukrativen Aufträge der Schweizer Konzerne nicht zu verlieren. So wirkt die Initiative auf die lokalen Unternehmen vor Ort.

Die Unternehmen wandern ab!

Ja, nein. Die Frage wäre, wohin die Unternehmen abwandern sollten. In die USA? Da gelten noch strengere Haftungsregeln und die Prozesse sind teuer, wie gerade Schweizer Firmen wissen sollten (LaFargeHolcim zB).

In der EU ist es zur Zeit härter als in der Schweiz und der Weg zeigt in eine Richtung, die mehr oder weniger der KoVI entspricht, in einigen Teilen sogar weiter geht. China? Wo der Staat jederzeit ins Geschäft eingreifen kann? In eines der Länder, in denen Korruption und Willkür herrscht? Eher nicht.

Ausserdem sind die Kosten einer Abwanderung extrem hoch. Nur schon die Steuervermeidungskonstrukte dieser Firmen müssten ganz neu aufgesetzt werden. Nein, die Drohung der Abwanderung der Unternehmen kommt alle Jahre wieder. Und auch wenn: Wollen wir Unternehmen schützen, die nur hier bleiben, weil sie hier keine Verantwortung für Kindersklavenarbeit oder Umweltkatastrophen tragen? Wirklich?

Es kostet Arbeitsplätze!

Das ist die älteste Lüge der Schweizer Politik. Arbeitsplätze werden nicht wegen politischer Entscheide abgeschafft. Der einzige Grund, Arbeitsplätze zu vernichten ist, wenn die Dividende für die Aktionäre nicht weiter wächst.

Konzernverantwortungsinitiative Gerhard Pfister
Gerhard Pfister, Parteipräsident der CVP. Seine Partei ist gegen die Konzernverantwortungsinitiative. - Keystone

Unternehmen beschäftigen genau so viele Menschen, wie nötig sind, um die Dividende wachsen zu lassen. Ist das mit weniger Leuten möglich, werden Jobs gestrichen. Wenn also die Initiative das Unternehmen Geld kosten würde, würden diese dafür sorgen, dass die Dividenden gleich hoch blieben, und dafür wenn möglich, Arbeitsplätze abbauen.

Also kostet die Einhaltung der Menschenrechte Geld. Aber Unternehmen würden lieber Arbeitsplätze vernichten, als auf etwas zusätzlichen Gewinn zu vernichten. Der Gewinnzuwachs steht immer über der Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber. Wer was anderes behauptet, lügt.

Hundertausende KMUs betroffen!

Auch das ist Bullshit. Der Fokus der Initiative liegt auf den multinationalen Konzernen. Unter 1 Prozent der in der Schweiz ansässigen Unternehmen müsste aktiv etwas an ihrer Praxis ändern.

Diejenigen nämlich, die jetzt gerade die Gegenkampagne finanzieren. Dazu gehören Pharma, Rohstoffhändler und ein Teil der Maschinenindustrie. So zu tun, als ob KMUs irgendwelche Tochterfirmen in den Herkunftsländern hätten, oder dass sie wirtschaftlich die Zulieferer so dominieren, dass sie deshalb haften müssten, ist eine blanke Lüge. Denn nur, wenn man die Unternehmen in den schwierigen Ländern besitzt oder sie absolut dominiert, ist man klagbar.

Anständige Unternehmer unter Generalverdacht!

Auch hier: Über 99 Prozent der Schweizer Unternehmen halten sich an ethische Grundregeln und schauen, dass ihre Zulieferketten keine Sklavenarbeit oder Umweltvernichtung beinhalten.

Die meisten Unternehmen sind sogar für die KoVI, weil damit gleichlange Spiesse geschaffen würden und sich alle an die Regeln halten müssten. Es ist wie damals, beim Apartheidsregime in Südafrika: Der Grossteil der Schweizer Unternehmen machte keine Geschäfte mit den rassistischen Sklavenhaltern.

Konzernverantwortungsinitiative Altendorf
Die Konzernverantwortungsinitiative wollte Schweizer Unternehmen in die Pflicht nehmen. - konzern-initiative.ch

Nur ein kleiner Prozentsatz wollte weiter mit dem Unrechtsregime Geld verdienen. Die Gegner der Initiative lügen somit ihre eigene Klientel, also die Unternehmer, an. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

Letzte Frage

Damit hätten wir also ein paar der Lügen widerlegt, die von den Gegnern verbreitet werden. Aber keine Angst, da werden noch mehr kommen. Aber das ist eigentlich egal.

Um zu einer Antwort auf die Konzernverantwortung zu kommen, muss sich jede und jeder einfach nur folgende Fragen stellen:

Wie viele Kinder dürfen versklavt, vergiftet oder misshandelt werden, wie viele Flüsse abgetötet, wie viele Wälder vernichtet werden, um den Unternehmern hier in der Schweiz Gewinne zu ermöglichen? Das ist keine Frage zwischen «links» oder «rechts», wie das bürgerliche Komitee für Konzernverantwortung mit SVP-, CVP- und FDP-Mitgliedern zeigt.

Und ich denke, jede/r anständige SchweizerIn hat da eine passende Antwort schon im Gewissen.

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