Greift ein Wolf eine Schafherde an, gibt es unschöne Bilder. Nun zeigen Zahlen: Bei der Hälfte der Risse haben Bauern ihre Herde nicht geschützt.
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Im letzten Jahr gab es über 1000 Schaf- und Ziegenrisse. Über die Hälfte der gerissenen Tiere waren nicht geschützt. (Bild aus Wildpark Bruderhaus) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Neue Zahlen zeigen: Im letzten Jahr gab es in der Schweiz 1051 Schaf- und Ziegenrisse.
  • Rund die Hälfte der Herden waren nicht geschützt.
  • Vor allem dort, wo der Wolf Neuland ist, sind die Bauern oftmals nicht gut gerüstet.
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Die Hotspots für Wolfsangriffe auf Nutztiere liegen im Wallis und Graubünden. Doch auch in anderen Kantonen treibt sich der Wolf heute umher. Und viele Bauern sind dafür offenbar noch nicht gerüstet.

Neue Zahlen des Bundesamts für Umwelt, die Nau.ch vorliegen, zeigen: Im letzten Jahr gab es 1051 Schaf- und Ziegenrisse.

Brisant: Fast die Hälfte der Herden war ungeschützt.

Was ist Ihre Meinung: Hat die Schweiz Platz für Wölfe?

Von den schweizweit gerissenen Schafen seien nur 448 geschützt gewesen, so das Bafu. 426 waren ungeschützt. Und 177 gelten als «nicht schützbar».

Besonders kritisch ist die Lage im Berner Jura.

Biolandwirt schützt Tiere ungenügend – Wolf richtet «Schlachtfeld» an

Dort erlebte die Familie um Biolandwirt Pascal Donzé Anfang Oktober auf seinem Bauernhof in Saicourt einen Albtraum. Als er am Morgen auf die Weide kommt, liegen mehrere Schafe blutverschmiert am Boden. Sieben sind tot, drei weisen Bisswunden auf.

«Das hat mich extrem schockiert. Es hat ausgesehen wie auf einem Schlachtfeld. Die Bilder verfolgen mich», sagt die Biolandwirtin Nadia Suter zu SRF.

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Die Familie um Biolandwirt Pascal Donzé zeigt das «Schlachtfeld» auf dem Hof, nach dem ein Wolf im Oktober angriff. - SRF

Es sind unschöne Bilder. Doch hätte das Blutbad verhindert werden können?

Der Herdenschutzbeauftragte des Kantons Bern teilt der Bauernfamilie nämlich mit: Der installierte Schutzzaun war ungenügend.

Teilweise waren nur drei Querdrähte statt vier bis fünf vorhanden. Auch die Stromstärke hätte nicht mehr den Empfehlungen entsprochen. Vorwürfe, die sich Donzé nicht gefallen lassen will.

Im Berner Jura gab es 16 Risse – nur an einem Ort war Herdenschutz korrekt

Der Bauer gibt zwar zu, dass sein Schutzzaun nicht alle Kriterien erfüllte. Er weist aber darauf hin: Bei einem anderen Landwirt in der Region wurden trotz korrekter Schutzmassnahmen Tiere gerissen. Donzé zieht daraus den Schluss, dass Schutzzäune keine ausreichende Sicherheit bieten.

Auf Anfrage von Nau.ch schütteln die Fachpersonen vom Kanton Bern aber den Kopf. Die Zahlen aus dem Berner Jura sagen das Gegenteil. Von 16 registrierten Rissen gab es nur ein einziges Ereignis, bei dem die Herde korrekt geschützt wurde.

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Im letzten Jahr gab es in der Schweiz 1051 Schaf- und Ziegenrisse.
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Nur 448 davon waren durch Herdenschutzmassnahmen wie Zäune oder Hunde geschützt.
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Im Berner Jura ist die Lage besonders kritisch, von 16 Wolfsrissen war nur eine Herde korrekt geschützt.
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Für das Bafu ist klar: Mit Herdenschutzmassnahmen können Risse nicht gänzlich verhindert, aber deutlich reduziert werden.
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Rösti-Gegner demonstrieren auf dem Bundesplatz gegen die proaktive Wolfsregulierung.

Auch auf den ganzen Kanton Bern ausgedehnt zeigt sich ein ähnliches Bild. Risse können durch Herdenschutzmassnahmen nicht gänzlich verhindert, aber deutlich reduziert werden.

Von 46 Rissereignissen geschahen nur deren 14 bei geschützten Herden. Bei 29 gab es keine ausreichenden Schutzmassnahmen. In drei Fällen waren Herdenschutzmassnahmen nicht zumutbar.

Wolfssichere Zäune mit Aufwand verbunden – Bauern warten ab

Der Herdenschutzbeauftragte des Kantons Bern nennt als Hauptgrund für unzureichende Schutzmassnahmen: «Zäune auf Herdenschutzstandard aufzurüsten, die über Jahre oder Jahrzehnte für die Herdenführung gut waren, ist ein grosser Aufwand.»

Hinzu komme, dass es vielerorts im Kanton Bern bisher nur wenig Probleme mit Rissereignissen gegeben habe. Darum werde bei Bauern «eher abgewartet».

Anders sehe es in Gebieten aus, wo starker Wolfsdruck herrsche, wo es also viele Risse gebe. So etwa im Haslital oder im Gantrisch-Gebiet. «Dort stellen wir eine schnelle Zunahme der Bereitschaft für Herdenschutzmassnahmen durch die Tierhalter fest.»

Kanton Bern macht Druck: Geld für Risse gibt's nur noch, wenn ...

Kommt es bei Herden zu Schäden durch Wölfe, so legt das «Konzept Wolf Schweiz» fest, wie entschädigt wird. Die Schadenssumme wird zu 80 Prozent vom Bund und zu 20 Prozent vom Kanton bezahlt, heisst es vom Bafu. Für den Entschädigungsantrag am Bund sind die Kantone zuständig.

Nun wird aber der Druck auf Bauern, vorwärtszumachen, erhöht. Seit dem 1. Dezember gilt im Kanton Bern eine neue gesetzliche Regelung.

In Tal- und Hügelzone sowie den günstiger gelegenen Berglagen (Bergzone 1 und 2) werden nicht mehr alle gerissenen Tiere abgegolten. Geld gibt's nur noch, wenn die zumutbaren Herdenschutzmassnahmen ergriffen wurden, so das Jagdinspektorat.

Übrigens: Auch Biolandwirt Pascal Donzé hat mittlerweile in neue Zäune investiert.

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