Berner Wirtschaftsrechtler Peter V. Kunz kritisiert die Zürcher Justiz scharf nach der Aufhebung des Urteils gegen Pierin Vincenz.
Peter V. Kunz
Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz. (Archivbild) - zvg

Der Berner Wirtschaftsrechtler Peter V. Kunz übt nach der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils gegen Pierin Vincenz harsche Kritik an der Zürcher Justiz. Schon das Bezirksgericht hätte die Anklageschrift erstinstanzlich zurückweisen müssen. Diese sei schon zu Anfang umstritten gewesen.

Für die Justiz sei das ein «Trauerspiel» – und für die Beschuldigten erst recht. Diese müssten nun weiterhin mit der Ungewissheit leben, sagte der Ordinarius für Wirtschaftsrecht und für Rechtsvergleichung an der Universität Bern am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Das Leben der Beschuldigten sei praktisch auf «Hold» gestellt. Wegen der aufrechterhaltenen Vermögenssperre stellten sich ihnen nicht zuletzt existenzielle Fragen.

Anklageschrift von Beginn an umstritten

Nicht einsichtig sei ihm, warum nicht bereits das Bezirksgericht die Anklageschrift abgewiesen habe. Dass sie zu «plauderhaft» war, habe er, Kunz, schon vor dem erstinstanzlichen Prozess kritisiert. Das Obergericht habe das mit der Qualifikation als «zu ausschweifend» bestätigt.

Jetzt sei das Verfahren wieder auf Feld eins und ziehe sich erneut über Jahre hin. Wie Kunz vorrechnete, ist die nachgebesserte Anklageschrift vielleicht bis Ende 2024 zu erwarten, der Prozess vor Bezirksgericht 2025 und ein Urteil des Bundesgerichts 2028. Sollte Pierin Vincenz dann ins Gefängnis müssen, wäre er Mitte 70. Vorwürfe gegen ihn würden zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre zurückliegen: Das sei eines Rechtsstaats nicht würdig.

Hohe Kosten für den Steuerzahler

Von den Kosten für den Steuerzahler ganz zu schweigen, fuhr Kunz fort. Das Obergericht habe Vincenz und Mitbeschuldigten rund 400'000 Franken Anwaltsentschädigung zugesprochen. Mit der Rückweisung beginne zudem das Ganze von vorn – mit entsprechenden Kostenfolgen.

Der Fall zeige, wie gefährlich es sei, wenn Schweizer Gerichte auf lange Anklageschriften und kurze Einvernahmen setzten. Es wäre besser, die Details in der Verhandlung zu klären. Weiter gab Kunz zu bedenken, dass Unschuldsvermutung und Beschleunigungsgebot auch für bekannte Menschen gelten. Medienberichte und Neid würden daran nichts ändern.

Der Fall Vincenz müsste juristisch unerfahrenen oder ärmeren Menschen eigentlich Angst einjagen, sagte Kunz. Praktisch wehrlos könnten sie sich eines Tages einer Anklageschrift mit Verfahrensfehlern gegenüber sehen und ungerechtfertigt ins Gefängnis wandern.

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