Ethanol, die Hauptzutat für Desinfektionsmittel, ist in der Schweiz Mangelware. Dies müsste aber nicht sein, hätte der Bund seine Reserven 2018 nicht aufgelöst.
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Desinfektionsmittel sind diese Tage sehr gefragt. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ethanol, die Hauptzutat für Desinfektionsmittel, ist in der Schweiz Mangelware.
  • Recherchen zeigen: Der Bund hat seine Reserven Ende 2018 aufgelöst.

Als die Corona-Pandemie Anfang März auch in der Schweiz ankam, waren zwei Dinge für den Normalverbraucher schnell Mangelware: Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel. Für letzteres braucht es zur Herstellung Ethanol.

Die Lage wurde teilweise so prekär, dass Spirituosen-Brennereien, wie zum Beispiel die Berner Matte Brennerei, auf die Produktion von Desinfektionsmittel umstellten. Es wird nun in regionalen Coop-Läden verkauft.

Coronavirus
Auch in Deutschland springen Brennereien ein. Daniel Rost, Brennmeister und Inhaber der Zeitzer Whisky Manufaktur, fängt an der Destillationsanlage über 90-prozentigen Alkohol auf. Seit knapp drei Wochen destilliert die Manufaktur reines Ethanol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln. - dpa

Agroscope hat seinen Weinkeller gespendet und aus 20'000 Liter Rot- und Weisswein knapp 3500 Liter Desinfektionsmittel für die Armee hergestellt. Die Zuger Kirschbrennerei spendete ebenfalls 2500 Liter Hochprozentiges, um daraus das begehrte Desinfektionsmittel herstellen zu können.

Bund vernachlässigte Krisenversorgung

Dabei hätte es gar nicht so weit kommen müssen, wie der «Tagesanzeiger» jetzt öffentlich macht. Denn eigentlich hatte der Bund grosse Ethanol-Reserven – jedenfalls bis Ende 2018, als er diese Pandemie-Reserven auflösen liess.

Das zuständige Amt, das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), habe die Krisenversorgung vernachlässigt, schreibt die Zeitung.

Desinfektionsmittel
PharmaSuisse empfiehlt, weiterhin Desinfektionsmittel zu benutzen. (Symbolbild) - Pixabay

Denn: Bis Ende 2018 lagerte der Bund eine Ethanol-Reserve von 8000 bis 10'000 Tonnen. Diese Menge hätte gemäss Experten problemlos für die aktuelle Versorgung gereicht.

Privatisierung wurde zum Verhängnis

Der Vorrat wurde aber vor gut zwei Jahren still und heimlich aufgelöst. Denn die frühere eidgenössische Alkoholverwaltung wurde privatisiert und heisst heute Alcosuisse. Statt den Vertrag mit Alcosuisse zu verlängern, hat man diesen einfach auslaufen lassen.

Dabei habe das BWL 2015 noch davor gewarnt, dass bei einer Privatisierung das Alkohollager im Falle einer Pandemie noch immer ausreichen muss. Doch es kam anders. Die Liberalisierung kam und über die Frage, wie denn Desinfektionsmittel im Notfall hergestellt werden kann, wurde nicht diskutiert.

Coronavirus Alcosuisse
Tanks beim Betrieb der Alcosuisse in Delemont, am 28. Februar 2007 (Archivbild) - Keystone

Das Bundesamt nimmt gegenüber dem «Tagesanzeiger» Stellung. Man «wollte dem liberalisierten Ethanol-Markt Zeit lassen, sich neu zu bilden und anschliessend die Vorratshaltung mit allen Marktteilnehmern diskutieren», so eine BWL-Sprecherin. In diesem Jahr wollte man die Versorgung prüfen – das Coronavirus kam also zur Unzeit.

Auch Konsumenten trifft Schuld

Ein weiterer Grund hat gemäss «Tagesanzeiger» zur aktuellen Versorgungsknappheit beigetragen: Die Konsumenten verbrauchen zu viel. Wie Dagmar Simon, Dermatologin am Inselspital gegenüber der Zeitung bestätigt, registriere man eine Zunahme von Handekzemen. Dies führt sie auf die vermehrte Verwendung von Desinfektionsmittel zurück.

Händewaschen Coronavirus
Richtiges Händewaschen ist der beste Schutz gegen das Coronavirus. - Keystone

Und: Sogar das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ruft die Bevölkerung mittlerweile zu massvollem Gebrauch von Desinfektionsmittel auf. Für Nicht-Infizierte genüge es, sich regelmässig die Hände zu waschen.

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